Heft 
(1978) 27
Seite
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Aufgaben zu suchen:Eine Kaulbachsche .Hunnenschlacht wird um ihres großen innerlichen Gehaltes willen immer unendlich höher stehen als eine Rauferei zwischen französischen Voltigeurs und pommerscher Landwehr; aber manche Kraft, die scheitern würde, wenn sie auf Kaulbachs oder Cornelius Wege wandeln wollte, würde ausreichen für eine Episode aus der Leipziger Schlacht. 211 D. h., im Gegensatz zu 1857 fordert er die Darstellung bedeutender historischer Themen nun nicht mehr um jeden Preis.

Fontane beginnt, trotz seiner Vorliebe für Historisches, sehr bald das künstlerisch Fragwürdige, Hohlheit und leeres Pathos der Historien­malerei seiner Zeit, die zugleich die offizielle Kunst repräsentierte, zu erkennen. Kriterium seiner Wertung wird dabei immer mehr die künst­lerische Bewältigung der Thematik. In späteren Jahren, im Zusammen­hang mit der Herausbildung seiner kritischen Haltung zum preußischen Staat, verbreitert sich der Abstand zwischen der zeitüblichen Beurteilung der Historienmalerei und Fontanes Gedanken dazu. Im Gegensatz zur offiziellen Kunst gewinnt bei ihm das Interesse an bescheideneren Stof­fen, kleineren Formaten, am Intimen aber künstlerisch Bewältigten mehr und mehr den Vorrang.

Diese Entwicklung kündigt sich bereits in dem Bericht über die Historien­malerei in der Berliner Kunstausstellung von 1862 an. Er vermerkt, daß der bedeutende Stoff künstlerische Mängel nicht ausgleichen könne und sieht in dem Anspruch, mit dem das großformatige Historienbild auftritt, eine besondere Gefahr, weil das Vermögen der Künstler nur selten ausreiche, diese Aufgabe zu bewältigen. Er zöge deshalb die bescheidenere Form des historischen Genres diesen ungelösten groß­formatigen Historienbildern vor. 27

Mit dieser Orientierung auf eine begrenztere Aufgabenstellung und eine vollkommenere Lösung greift Fontane erneut Gedanken auf, die im Ansatz schon in seinen Betrachtungen über die Kunstausstellung in Gent 1852 eine Rolle gespielt haben und erweitert sie, indem er das Kriterium der technischen Meisterschaft durch das umfassendere der künstlerischen Bewältigung ersetzt

In einer zwei Jahre später veröffentlichten Besprechung von Arbeiten Karl Beckers schreibt er, -es täte nichts zur Sache, daß er nicht die höchsten Aufgaben lösen würde:Die Lösung ,höchster Aufgaben spielt überhaupt nur eine Rolle im Phrasenprogramm derjenigen, die persön­lich am allerwenigsten in der Lage sind, mit .höchsten Aufgaben je ins Reine zu kommen. Wer sich aber darauf versteht, versteht auch gemein­hin die Kunst, die Kleineren gelten zu lassen. 28 Diese Haltung entspricht seinen literarischen Bemühungen. Er hat sich mehrfach zur Relation von Groß und Klein in seinem Werk geäußert.Das Nebensächliche, so viel ist richtig, gilt nichts, wenn es bloß nebensächlich ist, wenn nichts drin steckt. Steckt aber was drin, dann ist es die Hauptsache, denn es gibt einem dann immer das eigentlich Menschliche. 29 Als seine Frau sich über seine Kleinmalerei beklagt hatte, schrieb er:Ich behandle das Kleine mit derselben Liebe wie das Große, weil ich den Unterschied

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