Heft 
(1978) 27
Seite
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zwischen klein und groß nicht recht gelten lasse; treff ich aber wirklich mal auf Großes, so bin ich ganz kurz. Das Große spricht für sich selbst; es bedarf keiner künstlerischen Behandlung, um zu wirken. In dieser Vorliebe für das Kleine liegt Beschränkung, Verzicht, aber auch Gewinn. Der Verzicht resultiert auch daraus, daß er in der damaligen preußisch­deutschen Wirklichkeit kaum große menschheitsbewegende Gedanken, Gefühle und Handlungen zu finden vermochte. Er bezeichnete sich in demselben Brief alsLausedichter; zum Teil sogar aus Passion; aber doch auch wegen Abwesenheit des Löwen. 30

Gleichzeitig war es ihm durch diesen Verzicht, durch diese Beschränkung möglich, im Kleinen und Alltäglichen das humanistische Menschenbild zu wahren, das im staatlichen Leben, im offiziellen Geschehen für ihn nicht mehr erkennbar war.

Die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland nach 1848 war auch nicht der Boden, auf dem eine große Historienmalerei gedeihen konnte oder überhaupt eine Malerei, die weit gespannte nationale Anliegen zum Ausdruck bringt. Das fühlte Fontane genauso, wie die Tatsache, daß die Malerei eines Peter Cornelius, den er fähig hielt, höhere Ideen zu gestalten, in einer zurückliegenden" Epoche ihre Wurzeln hatte.

Die Erfahrungen, die Fontane in den sechziger Jahren in der Ausein­andersetzung mit Problemen der bildenden Kunst gewann, haben seine Gedanken und Vorstellungen über die Bedeutung des Stofflichen in seiner Relation zur künstlerischen Gestaltung in der Literatur sicherlich mit geformt. Theoretisch hat er sich damit vor allem in den achtziger Jahren, gedrängt durch die Probleme des eigenen literarischen Schaffens, befaßt. In dem EntwurfHans und Grete (vermutlich 1884) schreibt er:Es gelten für die erzählende Kunst dieselben Gesetze wie für die bildende Kunst und zwischen der Darstellung in Worten und in Farben ist kein Unterschied. Es kommt nicht darauf an, daß ein Napoleon in der einen Schlacht, ein Meeressturm, ein Finster Aarhom gemalt wird, ein Bauer der pflügt, eine Bucht am Tegler See, eine Kuppe der Müggels[-] oder Kranichsberge hat denselben Anspruch. Die Kunst der Darstellung, ihre Wahrheit und Lebendigkeit ist das allein Entscheidende. Kann man seinem Werke den Zauber des stofflich Neuen mit auf den Weg geben, so wird freilich das Anziehende des Kunstwerks noch wachsen, nament­lich den Kreis erweitern der sich hingezogen fühlt, aber für den eigent­lichen Kenner wird dies nur einen geringen Unterschied abgeben, so gering, daß er neben der geringsten Überlegenheit an darstellender Kraft, an Kunst, immer verschwindet. Es gibt nichts so Kleines und Alltägliches, das nicht, durch künstlerische Behandlung geadelt, dem größten aber ungenügend behandelten Stoff überlegen wäre. 31 Das Zitat belegt die Akzentverschiebungen, die sich hinsichtlich der Relation zwischen Stofflichem und künstlerischer Gestaltung auch in Fontanes dichtungstheoretischen Auffassungen vollzogen haben, und es weist auf die Bedeutung, die die Beschäftigung mit der bildenden Kunst für seine literarische Entwicklung tatsächlich gehabt haben muß. Ver­wandte Gedankengänge im Vergleich zwischen bildender Kunst und

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