Literatur finden sieh auch in einem Brief vom 13. April 1880 an seine Frau. Er beklagt sich darin über das Unvermögen der Kunstphilosophen. Fragen der künstlerischen Gestaltung zu beurteilen, sie würden in der Dichtung wie in der Malerei immer nur den gedanklichen Inhalt werten, der in der Regel nicht die Hauptsache wäre, es käme vielmehr auf das .gestalten“ an. 32 Obwohl Fontane der künstlerischen Gestaltung mit zunehmendem Alter wachsende Bedeutung beimaß, war er kein Verfechter oder Vorläufer des l’art pour l’art. Solche Proteste gegen den .gedanklichen Inhalt“ können nur aus den damaligen Zeitverhältnissen heraus verstanden werden, als Protest gegen den verlogenen Moralismus in der Kunsttheorie.
In den siebziger Jahren verstärkt sich Fontanes kritische Sicht der zeitgenössischen Historienmalerei. Am 7. August 1875 schreibt er aus Ragaz an seine Frau: „Die einzige Kunst, die unsre Historienmaler in nur allzu vielen Fällen üben, besteht darin, daß sie die Tat gleichsam zu entnerven und das natürlich gegebene in seinem Zauber zu entzaubern verstehen.“ 33
Gemessen an der offiziellen Anerkennung, die dem Historienmaler Anton von Werner zuteil wurde, und auch im Vergleich mit den Kritiken von Ludwig Pietsch an Werken von Anton von Werner, ist die kühle Zurückhaltung, mit der Fontane die Bilder dieses Malers behandelt, auffällig. Wie fragwürdig ihm die Persönlichkeit wie die Kunst erschien, geht aus verschiedenen Briefen hervor. In einem Brief an Karl Zoller vom 2. Dezember 1883 erwähnt er eine Kontroverse zwischen Karl
Frenzei und Anton von Werner und vermerkt dazu u. a.: .ob seine
Bilder aber besser sind als Frenzeis Bücher ist doch noch sehr die Frage.“ 3 ' 1 In einem Brief an seine Tochter vom 13. Mai 1889 vergleicht er die Stellung von Werners mit der Lola Montez. Selbst die Minister müßten mit ihm rechnen und würden „den Duckungsprozeß, zu dem sie nicht bloß berechtigt sondern verpflichtet wären, unterlassen oder doch sehr modeln.“ 35 Die Entwicklung der Fontaneschen Geschichtsvorstellungen, die zu immer schärferer Kritik am preußischen Staat geführt hat, hat seine Haltung gegenüber dieser von Anton von Werner betriebenen offiziellen Kunst zweifellos wesentlich beeinflußt.
Aufschlußreich im Hinblick auf Fontanes Bewertung historischer Stoffe und darüber hinaus überhaupt der bedeutenden Themen in der bildenden Kunst ist ein Vergleich zwischen der Menzelbiographie vom Jahre 1861 und seinem zum achtzigsten Geburtstag Menzels 1895 verfaßten Aufsatz. Während er sich in der frühen Arbeit ausschließlich mit Menzels historischen Themen befaßte, geht er 1895, nach Würdigung der Verdienste des Malers der preußischen Geschichte, auf jene Werke ein, die Menzel ohne Auftrag gemalt hatte. Die Art und Weise seines Berichtes zeigt, daß er sie zumindest als gleichbedeutend ansieht. Sowohl die Stellung, die er diesen Werken im Menzeischen Gesamtschaffen einräumt als auch die Einfühlung, mit der er den künstlerischen Absichten Menzels im Detail nachgeht, sind bemerkenswert. „Und so haben wir uns denn daran gewöhnt“, schreibt er, „Menzel, mehr oder weniger
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