Heft 
(1978) 27
Seite
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manische Farbenwirkung ist alles, was erstrebt wird, und das Zusam­menklingen der Farben bezaubert hier das Auge, wie der Zusammenklang von Tönen das Ohr entzückt. Der Doge auf diesem Bild wirkt nicht als Doge, sondern als weiß und gelb. Das Bild würde dadurch wie ein türkischer Teppich wirken, das wäre jedoch nicht zu tadeln:Wir denken so hoch von der Macht und Berechtigung der Farbe in der Malerei, daß wir den bloßen vollen Farbenakkord, das bloße Augen­labsal dankbar hinnehmen, und wenn Bürger die Poesie ,ein schönes Spiel mit Worten' nennen durfte, so nennen wir (wenigstens K. Becker gegenüber) die Malerei ,ein schönes Spiel mit Farben'. 42 Die neue Malweise, in der sich schon die Prachtentfaltung der gründer­zeitlichen Farbdekoration vorbereitet, muß zeitweilig sehr stark auf Fontane gewirkt haben. Für längere Zeit war eine Kunst, die das Gedankliche dem Dekorativen opfert jedoch nicht geeignet, ihn zu fes­seln, denn Fontanes Interesse am Menschlichen war viel zu groß, als daß er ernstlich bereit gewesen wäre, die Gestaltung menschlichen Erlebens als wesentlichstes Anliegen der Kunst für die Malerei zu bestreiten bzw. es auf elementare dekorative Erlebnisse zu reduzieren. Und so überrascht es denn auch nicht, daß er in dem Kapitel über die kolo­ristischen Bemühungen in der Landschaftsmalerei den Wert dieser neuen Bestrebungen infrage stellt oder ihnen doch nur eine vorübergehende Bedeutung beimißt.

Bei der Besprechung späterer Arbeiten von Becker wie auch anderer Maler verweist Fontane zwar wiederholt auf farbige Werte, befaßt sich aber vorrangig wieder mit dem Ausdruck der dargestellten Figuren, der Beziehung der Figuren zueinander und zum Raum, d. h. mit jenen inhaltlichen Fragen, die sein eigentlichstes Anliegen waren und die er von seinem eigenen Metier her auch am besten beurteilen konnte. Wie w.enig er tatsächlich bereit war, auf das Gegenständliche in der Malerei zu verzichten, zeigt sich vor allem in der Begegnung mit einer Kunst, die sich, im Unterschied zu Beckers Malerei, wirklich vom Gegenständ­lichen zu lösen beginnt, das Spätwerk William Turners. Die frühen Äußerungen über Turner sollen hier, da Fontane sie vor diesen Ausein­andersetzungen mit dem Kolorismus geschrieben hat, unberücksichtigt bleiben. Aber 1868 geht er in einem Artikel anläßlich des Todes von Eduard Hildebrandt noch einmal auf Turner ein. Er sieht in seinen Bemühungen um die Farbe die Gefahr der Lösung vom Menschlichen, er schreibt, Turner wäre denKonsequenzen des Farbenrätsel-lösen- wollens verfallen und hätte mit den .Drei Männern im feurigen Ofen', die er selbstverständlich rein als farbliche Aufgabe faßte, abgeschlos­sen. 43 Das war für Fontane gleichbedeutend mit der Aufgabe des Menschlichen und war deshalb mit seinem Realismusbegriff und seinen Vorstellungen vom Wesen und von den Aufgaben der Kunst unvereinbar. Insgesamt hat jedoch die intensivere Beschäftigung mit Problemen der farbigen Gestaltung in den sechziger Jahren bei Fontane zu einem besseren Verständnis des Wesens der Malerei geführt. Er begann sich in diesen Zusammenhängen auch für alte und neue farbige Raumfas-

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