In diesen Kreis, den ich mir auserlesen,
Eintret ich doppelt gern an diesem Tag,
Die Welt wird immer fremder meinem Wesen,
Und meine Tempel fallen Schlag auf Schlag.
Durch halb Europa fegt der Kriegesbesen,
Wo wäre der, der mir noch lauschen mag —
Wenn unter Waffen die Gesetze schweigen,
Wie darf die Muse da dem Volk sich zeigen.
Der Spott ist wach, mich stündlich zu verwunden, Gastfreundschaft selbst verschließt mir Tür und Tor.
Bei euch nur hab ich ein Asyl gefunden Und find es freundlicher denn je zuvor.
O schenkt mir ferner eure besten Stunden,
Es reute keinen noch, der mich erkor,
Glich ich der ärmsten auch der Bettlerinnen.
Ich bin doch reich wie hundert Königinnen.
Gebt nur euch hin! Und mehr als ihr gegeben.
Geb ich zurück aus ew’gem Füllhorn euch,
Das ist das Rätsel aller Liebe eben,
Indem sie arm sich schenkt, schenkt sie sich reich:
Zu höchstem Glücke will ich euch erheben.
Bleibt ihr in eurem Streben nur euch gleich,
Und während wir vom Mahl der Götter essen.
Lehr ich den Jammer euch der Welt vergessen...
Entsprechend diesen Anschauungen vom Wesen und der Funktion der Kunst, wie sie im Tunnel herrschten und wie sie Wilhelm von Merckei besonders klar formuliert hat, war der Tunnel nicht nur dem Tage seiner Zusammenkunft, sondern vor allem auch seinen Leistungen nach ein „Sonntagsverein“, nämlich eine Vereinigung von Sonntagsdichtern, die sich am Feiertag, fernab von den Realitäten der Welt und ihrem „Poesie *-feindlichen Getriebe, bei unverbindlichen Versen von den Mühen des Alltags erholten. Vielen Tunnel-Mitgliedern mag dieses sehr mittelmäßige Vergnügen genügt haben. Sie wollten nicht mehr als Sonntagsdichter sein. Sogar Fontane, obgleich er höhere Ansprüche stellen durfte, hat sich zeitweise eine ähnliche Beurteilung seines eigenen Talents suggerieren lassen. So bekannte er am 8. Januar 1857 seiner Frau von London aus: „Ich bin eine gute Sorte Sonntagsdichter, der sein Pensum Wochenarbeit zu machen und dann einen Reim zu schreiben hat, wenn ihm Gott einen gibt, der aber die Welt weiter nicht kränkt, wenn er’s unterläßt.“ Fontane war sich also der Entbehrlichkeit solcher Sonntagsdichtung durchaus bewußt. Ja, er meinte damals zum Schriftsteller nicht zu taugen, so daß er froh war, aus dem „Rayon des Sirenengesanges glücklich herausgekommen“ zu sein, wie er am 13. Januar 1857 aus London an Wilhelm und Henriette von Merckei schrieb. Im Tunnel sei nur einer gewesen,der es wagen durfte, die Laufbahn eines Schriftstellers einzuschlagen, „und er hat sie gewagt — Paul Heyse. Wir andern
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