Karsten Jessen (Lübeck)
Theodor Fontane und Dänemark
Wenn man Fontanes Kenntnis von Dänemark nur nach den kurzen Passagen in ,,Effi Briest“ beurteilen würde, erhielte man Andeutungen des üblichen Klischeebildes: Kopenhagen; Thorvaldsen Museum, Tivoli;
Limfjord; die schöne Dänin mit „den großen blauen Augen und dem flachsblonden Haar.“ 1 Es gibt aber auch andere Darstellungen von ihm, und da zeigt sich, daß er nicht nur eine hervorragende Kenntnis der älteren Geschichte Dänemarks hatte, sondern auf seinen beiden Reisen 1864 genaue Beobachtungen über das Dänemark seiner Zeit gemacht hat. Ihren Niederschlag fanden sie in den Tagebüchern, einer Reihe von Reisebriefen, dem Buch über den „Schleswig-Holsteinischen Krieg von 1864“ und nicht zuletzt in seinem Roman „Unwiederbringlich''. Dem Umfang nach ist Dänemark im Werke Fontanes also von einem gewissen Gewicht, und es mag erlaubt sein nachzufragen, wie weit seine Kenntnis ging und aus welchem Grunde sich Fontane so sehr für das Land interessierte.
Zu nennen wäre zunächst die Neigung Fontanes zum Norden. Er hat oft betont, daß er mehr dem Norden als dem Süden zugewandt sei, und, obwohl er auch zwei Reisen nach Italien gemacht hat, daß deren Niederschlag ziemlich gering ist. Diese prinzipielle Hinneigung zum Norden steht im Zusammenhang mit Jugendeindrücken aus Swinemünde, das ihn schon ganz skandinavisch anmutete und das er mit Freiheit, mit Demokratie gleichsetzte und gegen die preußische Mentalität ausspielte. Es deutet sich hier gewissermaßen der Dualismus in der Natur Fontanes an, das preußische Pflichtbewußtsein der Mutter, das bonvivante Laissez- faire-laissez-aller des Vaters. Allerdings sollte man diese Jugendeindrücke nicht überbewerten, genausowenig wie die Abstammung aus der französischen Kolonie Berlins.
Wichtiger erscheint uns die geschichtliche Situation. Die Lage der Herzogtümer in den 40er Jahren, die schleswig-holsteinische Erhebung mit dem Abschluß durch das Londoner Protokoll von 1852 und die sich daran anschließenden diplomatischen Querelen bis zum Ausbruch des Krieges 1864. Briefliche Äußerungen Fontanes zeigen ganz deutlich sein Engagement für die Sache der Schleswig-Holsteiner, ebenso die Erinnerungen „Von Zwanzig bis Dreißig“. Darin schreibt er, er erinnere sich „keines anderen Außenereignisses, das mich so getroffen hätte“ 2 wie die Niederlage der Schleswig-Holsteiner bei Idstedt. Daß er allerdings nach Kiel gefahren sei, „um in eins der regelrechten Bataillone einzutreten“, ist eine unkorrekte Behauptung. Ehe er sich in die Nähe des Kriegsschauplatzes begab, um darüber zu berichten, hatte er Mutter und Braut versprechen müssen, nicht aktiv zu werden, was er auch in einem Brief an Bernhard von Lepel vom 28. 7. 1850 ausdrücklich schreibt. Und in einem Brief an Friedrich Eggers und Paul Heyse steht es noch etwas krasser: Der eigentliche Grund seiner Reise nach Altona sei „Ueberei-
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