Heft 
(1978) 27
Seite
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Theodor Fontane wurde am 30. Dezember 1819 in Neu-Ruppin geboren. In seinem Buch ,Wanderungen durch die Mark Brandenburg 1 hat er seiner Geburtstadt mit viel Wärme und großer Sympathie gedacht. Ursprünglich interessierte sich Fontane für das Studium der Natur­wissenschaften; aus diesem Grunde zog er 1840 nach Leipzig, nachdem er zuvor das Gymnasium in seiner Heimatstadt besucht hatte; jedoch stellte ihn das Studium der Naturwissenschaften und Chemie auf die Dauer nicht zufrieden, und er warf sich bald auf die Dichtkunst.

Im Jahre 1850 trat er zuerst vor die Öffentlichkeit mit einer kleinen Sammlung ,Männer und Helden, der ein Balladenzyklus ,Die schöne Rosamunde folgte und im Verlauf der Jahre verschiedene andere Gedichtsammlungen. Für die meisten Balladen entnähme der Dichter seinen Stoff der englischen Geschichte und den Volkssagen.

In den letzten Jahrzehnten ist Fontane auch als Romanautor aufgetreten. Zu den meistbekannten gehören: ,Ellemklipp, ein dunkles wehmütiges Stimmungsbild von poetischer Wirkung, worin das Leben auf der Heide meisterlich gezeichnet wird und die Liebe von Vater und Sohn zum gleichen jungen Mädchen den Verwicklungspunkt ausmacht; neben .Ellernklipp, das später in dänischer Übersetzung herauskommen wird, kann man weiter nennen .LAdultera: eine Berliner Geschichte, .Graf Petöfy und ,Quitt.

Der Roman ,Grevinde Holk, der hier in autorisierter Übersetzung vor­liegt, trägt auf deutsch den Titel .Unwiederbringlich, aber hat nach Wunsch des Verfassers auf dänisch den Titel ,Gräfin Holk nach der weiblichen Hauptperson erhalten. 48

Diese Übersetzung des biographischen Vorwortes deckt eine ganze Reihe von Problemen auf, die nur kurz angeschnitten seien. Zum ersten ist Thaysen nur sehr unzulänglich über die Biographie Fontanes unterrich­tet (Studium der Naturwissenschaften und Chemie nach Gymnasiums­besuch in Neu-Ruppin); zum zweiten ist seine Auswahl hervorragender Werke Fontanes Anlaß, über das literarische Bewertungssystem Thaysens Überlegungen anzustellen, denn es stelltUnwiederbringlich mit Werken in Zusammenhang, die nicht zu den großen Spitzenleistungen Fontanes gehören. Es fehlen u. a.Vor dem Sturm,Schach von Wuthenow, Irrungen, Wirrungen! Thaysens Vorliebe scheint im Romantischen zu liegen, wenn er besonders dieSchöne Rosamunde undEllemklipp hervorhebt. Dies würde Fontanes Aussage unterstützen, daß inUnwie­derbringlich das Nordisch-romantische vorherrsche.

Zum dritten muß Thaysen mit Fontane korrespondiert haben, auch wenn kein Briefwechsel vorliegt. Daß er Fontane die Übersetzung gesandt hat, geht aus Fontanes Schreiben vom 11. 12. 1894 an Hertz hervor. Durch das in den Anmerkungen referierte Schreiben Thaysens vom 23. 6. 1892 an Hertz wird klargestellt, daß er bei Fontane wegen der unentgeltlichen Übersetzung angefragt hat, und zwar im Sommer 1892, während einer Zeit also, in der Fontane schwerkrank im Riesengebirge in der Sommer­frische war. Es gibt allerdings keinen Hinweis in Briefen und im Tage­buch auf Übersetzungspläne ins Dänische, wohl eine kurze Mitteilung,

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