Heidemarie Kogler (Leipzig)
Namen, Landschaft und Geschichte in den „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ *
Dem aufmerksamen Leser der „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ wird nicht entgangen sein, daß Fontane einige Male den Versuch unternimmt, über die Orts-, Gewässer-, Berg- und Personennamen seiner märkischen Heimat genauere Untersuchungen anzustellen. Konkreter gesagt, er ist bemüht, Aussagen über Herkunft und Bedeutung der Namen zu geben. Inwieweit entsprechen nun Fontanes Namendeutungen der Wahrheit bzw. wie weit kommen sie ihr nahe?
Da die Mark Brandenburg ein Zentrum ehemaliger slawischer Besiedlung war. spielt das Problem der deutsch-slawischen Beziehungen hierbei eine bedeutende Rolle. Verteilung, Vorkommen und Häufigkeit slawischer Namen sowie das Nebeneinahderbestehen von deutschen und slawischen Namen können wichtige Aufschlüsse über gesellschaftliche und sozialökonomische Verhältnisse und über Siedlungsverhältnisse und -Veränderungen liefern. Damit werden siedlungs- und wirtschaftsgeschichtliche Probleme aufgegriffen und in einen neuen Zusammenhang gestellt. Das heißt, Fontane wird nicht nur als Erklärer von Namen vorgestellt, sondern ein weiteres Problem wird im Zentrum unserer Überlegungen stehen: Sind Fontanes Darlegungen über die historische Entwicklung der Mark Brandenburg wissenschaftlich haltbar, entsprechen sie den historischen Tatsachen?
Es soll im folgenden versucht werden, beide aufgeworfenen Fragen umfassend zu beantworten.
Im Zuge der slawischen Landnahme (4./5. Jhd.) wurde das Gebiet zwischen Elbe Saale und der Oder von drei großen westslawischen Stammesgruppen besiedelt: Sorben, Obodriten und Lutizen. Bis zu ihrer Unterwerfung durch die Franken erreichten die slawischen Stämme ein relativ hohes ökonomisches Entwicklungsniveau. Diese Tatsache ignorierend wurde in der bürgerlichen Literatur im Zusammenhang mit dem Entwicklungsstand der Produktivkräfte und Produktionsverhältnisse von einer Minderwertigkeit der Slawen gegenüber den Deutschen gesprochen, den Slawen wurde die Fähigkeit zu nutzbringender Arbeit abgesprochen. Durch zahlreiches Belegmaterial, u. a. durch archäologische Funde, die den wirklichen Stand der Entwicklung der Slawen erkennen lassen, sind derartige nationalistische Behauptungen inzwischen widerlegt und können von bürgerlicher Seite heute weder aufrechterhalten noch vertreten werden.
Fontane lieferte mit dem Kapitel „Die Wenden in der Mark“ (im 1. Band der „Wanderungen“) einen bedeutenden Beitrag zur Geschichte des Wendentums. der entgegen allen damaligen einschlägigen Darstellungen in Heimatkalendern und Geschichtsbüchern geschrieben war. 1 Es wird ersichtlich, daß sich Fontane bei der Beschreibung deutsch-slawischer
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