Heft 
(1978) 28
Seite
264
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Der große Slawenaufstand von 983 beseitigte die deutsche Fremdherr­schaft und gab den slawischen Stämmen für 150 Jahre ihre Unabhängig­keit zurück. Doch mit Beginn der 2. Etappe der Ostexpansion (1147) wurde der selbständigen Entwicklung der Westslawen ein Ende gesetzt. Es gelang den deutschen Feudalherren die allmähliche Eingliederung des slawischen Landes in ihren Staat. Deutsche Bauern begannen das slawische Gebiet zu besiedeln, doch nicht etwa, weil sie einVolk ohne Raum waren, wie es die nationalsozialistische Pseudotheorie darstellte: Mit Hilfe der deutschen Siedlungsbewegung, ..., ist es dann gelungen, die Lage im ostelbischen Raum innerhalb eines Jahrhunderts von Grund aus umzugestalten, den Boden für das deutsche Volkstum zurückzugewin­nen und zugleich die völlige Befriedigung darin zu erreichen ... 5 DerBoden für das deutsche Volkstum war allerdings nur Synonym für Macht und Reichtum der Feudalklasse. Die deutschen Bauern ver­ließen ihre Heimat wegen der drückenden feudalen Lasten und hofften in den westslawischen Gebieten auf einen eigenen Hof und ein besseres Leben.

Die Besiedlung slawischen Landes durch deutsche Bauern wurde durch den Verrat der slawischen Feudalherren begünstigt und gefördert. Ganz von ihren Klasseninteressen beherrscht schlossen die slawischen Fürsten ein Bündnis mit der deutschen Feudalklasse und unterwarfen so die slawischen Bauern mit einer verschärften Ausbeutung und Unterdrückung Dieser Verrat an der eigenen Nationalität kostete den Verlust der staatlichen Unabhängigkeit, der Möglichkeit einer eigenen historischen Entwicklung und der ethnischen und kulturellen Selbständigkeit. Fontane beschreibt drei Auseinandersetzungen zwischen Slawen und Deutschen. Die Schlacht bei Lunkini (Lenzen) 929 und die Schlacht am Dosafluß (Dosse) 935 wurden zu Niederlagen für die Unterdrückten. 983 fand dieSchlacht am Tangerfluß statt, durch deren Ausgang, wie bereits oben gesagt, die deutsche Fremdherrschaft für rund 150 Jahre beseitigt wurde. Fontane versucht, die Ursachen für den großen Wenden­aufstand darzulegen. Er stößt jedoch nicht auf den Charakter der ökonomischen und politischen Verhältnisse vor, sondern verlegt die Ursachen in die subjektive Haltung des Obodritenführers Mistewoi. Hier zeigen sich offensichtlich Ansatzpunkte einer weltanschaulich-philosophi­schen und erkenntnistheoretischen Grenze Fontanes. Er war nicht in der Lage, von der äußeren Beschreibung subjektiver Verhaltensweisen auf innere,. objektiv zugrunde liegende Umstände zu schließen, darauf, daß dieeinander bekämpfenden Klassen der Gesellschaft jedesmal Erzeug­nisse sind der Produktions- und Verkehrsverhältnisse, mit einem Wort, der ökonomischen Verhältnisse ihrer Epoche. 6

Die Rache, die Mistewoi auf Grund einer persönlichen Beleidigung seitens der Deutschen an diesen nehmen wollte, war sicher nur der Anlaß zu dem Aufstand, die Ursachen nehmen den ihnen hier zugewiesenen Platz ein. Sie spiegelten sich in der verstärkten Ausbeutung der slawischen Bauern und ihrer sich dadurch ständig verschlechternden sozialen Situation wider. Auch die Kompromißbereitschaft der slawischen