Fürsten, die ihnen persönlichen Vorteil verschalten sollte, spielte eine nicht zu unterschätzende Rolle. (Mistewoi hatte bereits das Christentum angenommen, trat aber nach der Beleidigung wieder zum heidnischen Glauben über.) Diese schwankende Haltung der slawischen Fürsten kennzeichnete ihre gesamte Politik während der Zeit der Ostexpansion. Als Ausbeuterklasse „verkauften“ sie sich an den deutschen Adel, sobald es um die Niederhaltung der eigenen Bauern ging.
So, wie Fontane derartige sozialökonomische Wurzeln und Ursachen nicht erkannte, vermochte er auch nicht, das Wesen der zweiten Etappe der Ostexpansion richtig zu erfassen und darzustellen. Er spricht z. B. davon, daß sich die Wendenstämme untereinander aufrieben und uneins waren durch die ständig wirkende Macht des Christentums. An den Besitz von Brennabor (Brandenburg) knüpfte sich die Frage, wer im Lande herrschen sollte. Mit der Eroberung von Brandenburg 1157 durch Albrecht den Bären wurde diese Frage zugunsten der Deutschen entschieden. Fontane ging an dieser Stelle nicht konkret genug auf die deutsche Besiedlung des wendischen Landes und die daraus resultierenden Konflikte und neuen Beziehungen ein. Diese Veränderungen der Situation gehen aus dem Nachfolgenden zwar hervor, ihnen wird aber nicht der entsprechende Rang zuerkannt.
Im Laufe der Zeit trat eine allmähliche Vermischung der slawischen und deutschen Bevölkerung ein. Wie läßt sich heute die Existenz slawischer Bevölkerungsteile in den neugegründeten bzw. neubesiedelten Orten nach weisen? Es sind im wesentlichen vier Merkmale, bei deren Auftreten slawische Einwohner anzunehmen sind:
— das Auftreten von ostdeutschen Kietzen als einer slawischen Dorfform
— Dörfer, die in Urkunden als „villae slavicales“ erwähnt werden
— der slawische Scheffel als Maßeinheit
— das Auftreten von slawischen Münzen
Hier ergibt sich mm auch ein Ansatzpunkt für die Namenforschung, die anhand der Orts- und Flurnamen das Aufgehen der Slawen in die deutsche Bevölkerung nachvollziehen kann und damit gleichzeitig einen Beitrag für die Wirtschafts- und Sozialgeschichte im Raum von Brandenburg leistet.
Das Auftreten slawischer Ortsnamen ist aber allein kein sicherer Beleg für das Vorhandensein bzw. längere Fortbestehen slawischer Bevölkerungsteile. Dazu sind neben der Erforschung von Herkunft und Bedeutung der Namen vor allem Untersuchungen der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse nötig.
Was sagte nun Fontane über den Verbleib der Wenden? „Sie wurden keineswegs mit Stumpf und Stiel ausgerottet, sie wurden auch nicht einfach zurüdegedrängt bis zu Gegenden, wo sie Stammesgenossen fanden,
— sie blieben vielmehr alle oder doch sehr überwiegenden Teils im Lande und haben in allen Provinzen jenseits der Elbe unzweifelhaft jene Mischrasse hergestellt, die jetzt die preußischen Provinzen bewohnt.“ 7 Hier deutet Fontane sachlich und objektiv den Prozeß des Aufgehens der Slawen in die deutsche Bevölkerung an.
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