so strenge Pflichten wie die alteingesessenen Bauern und entschieden mehr Rechte. So erhielten sie z. B. Unterstützung beim Häuserbau, mußten keinen Zwangsgesindedienst leisten und waren bis in die dritte Generation vom Militärdienst befreit.
Fontane verfolgt im zweiten Band „Das Oderland“ die Meliorationsarbeiten im Land. Schon unter dem Kurfürsten Johann Georg wurden 1593 Versuche zur Eindeichung des linken Oderufers vorgenommen, aber 1613 brach der Fluß von neuem durch. Audi unter Friedrich Wilhelm gelangen die Absichten nicht völlig, nur kleinere Landstriche konnten trockengelegt werden. 1736 beauftragte Friedrich Wilhelm I. den Kriegsrat Haeriem, ein Gutachten anzufertigen, in dem die Eindeichung des gesamten Oderbruches zu untersuchen war. Das Gutachten fiel positiv aus, nur würden die Arbeiten langwierig und kostspielig werden. Friedrich Wilhelm I. überließ die Angelegenheit seinem Sohn. Ein neues Gutachten wurde angefertigt, das drei Hauptpunkte enthielt:
1. der Oder einen schnellen Abfluß zu verschaffen
2. die Oder mit tüchtigen Dämmen einzufassen
3. die Binnenwasser aufzufangen und abzuführen. 12
Die Arbeiten dauerten von 1746 bis 1753. Es wurden 130 000 Morgen Land gewonnen, auf denen 1 300 Familien in 43 Kolonistendörfem angesiedelt wurden. Aber vor der Besiedlung stand die Frage: woher die Mensechn dazu nehmen? Der König ließ eine „Kommission zur Herbeischaffung von Kolonisten“ gründen.
„ ... und diese Kommission 'ließ durch alle preußischen Gesandtschaften ,fleißige und arbeitsame Arbeiter* zum Eintritt in die preußischen Staaten einladen. Diese Einladungen hatten in der Tat Erfolg; an Versprechungen wird es nicht gefehlt haben.“ 13
Die neu angesiedelten Menschen hatten etliche Vergünstigungen gegenüber der einheimischen Bevölkerung. Fontane führt einige dieser Vorteile auf: 15 Jahre waren die Kolonisten frei von allen Lasten, bis in die dritte Generation gab es keine Einziehung zum Militärdienst, freie Religionsausübung wurde garantiert, Schulen wurden gebaut, wo man kostenlos Unterricht erteilte. Bis in kleinste Einzelheiten schildert Fontane diese Epoche der Entwicklung Brandenburgs. Die Richtigkeit Her historischen Fakten wird keineswegs bezweifelt, dennoch erscheint Fontanes ideologische Haltung auch hier kritikwürdig. Fontane überschätzt die Rolle der Persönlichkeit im historischen Entwicklungsprozeß. Die ökonomischen Klasseninteressen sind in allen Gesellschaftsformationen die grundlegenden Triebkräfte des politischen Willens und Handelns der Gesellschaft, Von diesen Interessen wurden auch die Handlungen der Könige bestimmt. Im Mittelpunkt der Politik Friedrich II. (wie auch aller anderen preußischen Könige) stand die Stärkung des preußischen Staates nach innen und außen. Im internationalen Maßstab sollte Brandenburg-Preußen bald eine führende Rolle spielen, aber dazu war es nötig, die Zustände im Land selbst zu verbessern. Fontanes Ausführungen über Geschichte und Entwicklung der Mark Brandenburg lassen Ansätze eines wissenschaftlichen historischen Den-
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