Heft 
(1978) 28
Seite
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kens erkennen. Doch um Fontane als Historiker anzuerkennen oder abzulehnen, muß eine genauere Beschäftigung mit dem Wesen der historischen Tatsache, dem wichtigsten Gegenstand des Historikers, und den Aufgaben des Historikers erfolgen. Für den Materialisten ist die historische TatsacheTeilchen des objektiven gesellschaftlichen Lebens wie jede andere gesellschaftliche Erscheinung 14 . Historische Tatsachen vermitteln Erkenntnisse über den Entwicklungsstand in einem bestimmten Lebensbereich der untersuchten Periode und charakterisieren die erreichte Entwicklungsstufe der gesamten Gesellschaft. Es wird hier an die Auffassung von der historischen Tatsache als einerwissen­schaftlichen Konstruktion 15 angeknüpft. Diese Meinung beinhaltet, daß die Aufgabe des Historikers nicht in einer flachen empiristischen Beschrei­bung historischer Daten bestehen kann. Sie soll neben dem Heraussuchen von Fakten aus einem Überfluß oder Mangel an Quellenmaterial im Aufdecken und Untersuchen der objektiven Gesetzmäßigkeiten des historischen Entwicklungsprozesses realisiert werden.

Mit diesem Maßstab gemessen tragen Fontanes Arbeiten den Charakter einer Sammlertätigkeit. Sein bemerkenswertes Verdienst besteht darin, den Historikern Details in die Hand gegeben zu haben, die ihnen viele Nachforschungen erleichtern oder ersparen. Man kann den Standpunkt vertreten, Fontanes Bemühungen nicht als exakte historisch-wissenschaft- liche Analysen zu betrachten, sondern als Fundus empirischer Unter­suchungen und Zuarbeiten für den Historiker anzusehen.

Davon ausgehend, daß Fontane selbst nicht streng historisch forschen wollte, daß er nie den Anspruch erhob, als Historiker zu gelten, sondern daß er die Gegenwart vor einem historischen Hintergrund darzustellen beabsichtigte, lassen sich seine empirischen Beschreibungen richtig ein­schätzen. Es sollte aber, ohne Berücksichtigung der Absichten Fontanes, sein Beitrag für die Geschichtswissenschaft geklärt werden. Warum gab Fontane trotz seiner Ansätze zu wissenschaftlicher Tätigkeit keine durch­gängig richtige Darstellung der historischen Verhältnisse? Eine der wichtigsten Ursachen ist sicher in Fontanes Grenzen als bürgerlich­kritischer Realist zu suchen. Aus der bürgerlichen Klasse stammend, diese zwar verachtend, aber zwischen den Klassen stehend, vermbchte er nicht, zu einer konsequent materialistischen und dialektischen Ge­schichtsauffassung vorzustoßen. Seine Haltung ist Ausdruck einer Zeit, in der das Bürgertum seinen historischen Anspruch auf Führung der Nation bereits zu verlieren begann, aber das moderne, aufstrebende, sich zur Klasse erhebende Proletariat zur politischen Führung subjektiv noch nicht fähig war. Das berücksichtigend haben die Bemühungen Fontanes um die Darstellung der brandenburgischen Geschichte bei uns ihren gültigen Platz erhalten.

Im folgenden wollen wir auf die Namen in denWanderungen ein- gehen. Wie bereits erwähnt, legte Fontane zu etlichen Namensentstehun­gen und -bedeutungen seine Meinung dar, nicht in jedem Fall richtig und nie mit dem Anspruch, wissenschaftliche onomastische Analysen zu

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