Heft 
(1978) 28
Seite
295
Einzelbild herunterladen

Im ersten Raum wird ein Überblick über die nationale und politische Lage in Deutschland zwischen 1815 und 1870/71, insbesondere über die feudalabsolutistische Zerrissenheit, gegeben und Reuters oppositionelle Haltung dazu sichtbar gemacht. Mit Nachdruck wird auf die sozial­ökonomischen und politischen Anachronismen Mecklenburgs sowie auf den krassen Klassenantagonismus zwischen Junkern und Tagelöhnern verwiesen, sichtbar gemacht durch originale Sachzeugen, die den Gegen­satz zwischen arm und reich deutlich hervortreten lassen. Dadurch erhält der Betrachter eine anschauliche Einführung in die gesellschaftlichen Verhältnisse der Reuterzeit und vermag wichtige Positionen in Reuters Entwicklung, Haltung und Dichtkunst zu erkennen. Er soll auch verstehen, daß der bemerkenswerte Aufschwung niederdeutscher Mundartliteratur nach 1848, ja, daß der nahezu zeitgleiche Aufbruch der plattdeutschen Dichter Klaus Groth, Fritz Reuter und John Brinckman zwischen 1852 und 1854 nichts Zufälliges darstellt, sondern parallel zur politischen Entwicklung als Erscheinungsform einer einstweiligen regionalen Auf­fächerung der Nationalliteratur in der nachrevolutionären Phase zu werten ist.

Die Räume zwei bis acht sind der biografisch-literarischen Darstellung von Leben und Werk Reuters gewidmet. Sie informieren umfassend an Hand von historischen Dokumenten, zeitgenössischen Bildnissen, Erst­drucken der Werke, Handschriften, kulturgeschichtlichen Sachzeugen und persönlichen Erinnerungs- und Besitzstücken Reuters, seiner Familie und seiner Freunde über das alte Stavenhagen, Elternhaus, Kindheit und Schulzeit, über Studium und Burschenschaftszeit in Rostock und Jena, über Demagogenverfolgung, Unersuchungshaft und Festungsarrest in preußischen Kasematten, über die Stromtid als Landmann auf mecklen­burgischen Gütern, über Reuters Teilnahme an der antifeudalen Oppo­sitionsbewegung in Mecklenburg und an der Revolution von 1848/49 und schließlich über die Lebens- und Schaffensstationen in Altentreptow, Neubrandenburg und Eisenach, unter besonderer Beachtung, Bewertung und Veranschaulichung seiner großen Vers- und Prosawerke. In die Abfolge dieser musealen Dokumentation sind als Verweilpunkte mit hoher emotionaler Wirksamkeit Interieurs eingefügt. Sie setzen sich aus geschmackvollen Möbelstücken, Sitzgruppen und Kleingegenständen zu­sammen, deren gesteigerter Reiz darin besteht, das sie überwiegend aus Reuters Wohnungseinrichtung stammen. An ihrer Ausstrahlungskraft und Faszination liegt es, wenn der Besuch des Museums auch zu einem nachhaltigen ästhetischen Erlebnis wird.

Raum neun befaßt sich mit Erscheinungen der Wirkungs- und Rezep­tionsgeschichte Fritz Reuters. Es wird gezeigt, daß Reuters Werke schon zu seinen Lebzeiten eine große nationale und internationale Verbreitung hatten, daß aber bürgerliche Ideologen und Interpreten oft ein verzerrtes und einseitig humoristisches Reuterbild propagierten. Aber auch die Gegenpositionen werden dargestellt, verfochten von führenden Vertretern der deutschen Arbeiterklasse. Interessante und bisher wenig bekannte Aussagen von Marx, Engels, Mehring, Zetkin und Thälmann sind Beweis

295