Heft 
(1978) 28
Seite
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Kammertür zu schließen, steigert sich der Wortwechsel. Der Sohn dringt gewaltsam in die Kammer ein und der Vater greift zu seinem Hirsch­fänger. Es bleibt offen, ob der Vater mit der zuckenden Hand gestoßen hat oder nicht. Der Sohn stirbt, kein Zeuge sah den unmittelbaren Zusammen prall.

Das abschließende Gutachten, das. in seiner exquisit juristischen Diktion dem Gutachten einer juristischen Fakultät gleichkommt, sieht in solcher Akribie die Charaktere und den Vorgang und zieht die entsprechende Folgerung zur Urteilsforderung:

Auf gnädigsten Befehl habe ich die Bäumlerischen Inquisitions-Acta nebst denen von Ew. Gd. nachgesetzten Regirung eröffneten Vidimaten (Beglaubigungen, Gutachten) fleißig gelesen.

1) Inquisit keinen animum occidendi fllium (bewußte Absicht zum Töten des Sohnes) gehabt, sondern in seinem gantzen übrigen Bezeigen eine väterliche Liebe gegen seinen Sohn an den Tag gelegt.

2) Daß des umgekommenen Sohnes Aufführung, die gantz unmenschlich war, allein genugsam gewesen, den Inquisiten ex capite justissimi doloris ob injurias advocissimas et reales Patri a filio illatas (auf Grund des gerechten Leidens an den angeführten und wirklichen Ungerechtigkeiten, die dem Vater vom Sohn zugefügt wurden), zu entschuldigen und a poena ordinaria zu befreyen (von der ordnungs­gemäßen Strafe zu befreien, d. h. von der Todesstrafe zu befreien).

3) Daß bei dem gantzen Vorgang so viel Umstände concurriren. die eine echte Nothwehr pflegen auszumachen, daß auch bei diesem homicidio (Menschenmord) nur der excessus moderaminis inculpatae tutelae poena extraordinaria (der Tod gemäß der unbescholtenen Aufsichts­pflicht mit einer Strafe außerhalb der ordnungsgemäßen) zu bestrafen.

4) Daß folglich in arbitrio Judicis (Urteil des Richters) lediglich berührt, mt was vor einer außerordentlichen Strafe Inquisit zu belegen. Erstens erhellt:

a) Aus der langen Gedult, mit welcher Inquisit das ungemein harte Tractament seines Sohnes getragen, und da er nicht mächtig war, ihn selbst darüber zu züchtigen, doch solches der Obrigkeit darum nicht geclaget, weil ihm sein Sohn immer wieder abgebethen, er ihm also von Hertzen vergeben, und auf des Sohnes Beßerung gehofft,

b) bezeuget Inquisit gleich bei seiner arretirung, er wiße selber nicht

wie er zu diesem Unglück gekommen, maßen seine intention nicht gewesen, seinen Sohn zu erstechen, sondern zu erschrecken; dann adminiculiret (stützt, beweist), ^

c) daß Inquisit sich eben ausziehen wollen, und schon einen Strumpf ausgezogen, auch nicht in Willen gehabt, wider in die Stube zu gehen.

Nimmt man die Umstände ex actis zusammen, so war der Vater schwach, der sich seines Sohnes nicht wehren konnte. Sohn hatte vorher schon Vater vom Stuhl geschoben und weggetragen, it. (item, ebenso) zur Erde geschmissen, it. noch vor dem facto bey der letzten Zankerey in die Cammer getragen und ins Bett geworfen, früher it. mit Schimpf-Nahmen belegt, nach ihm geschlagen und ihn bluthrünstig gemacht, ihn zu Boden

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