wenig ist nötig, sich seines Lebens zu freuen. Man ist mehr erhoben als niedergedrückt.
Aber diese wohltuenden Eindrücke wenden sich, je mehr man sich der Bel-Etage nähert und je ungeheuerlicher in seinen Proportionen jenes bauliche Ungeheuer von Möbelwagen ist. Bei Professors geht es noch, weil sie sich dem vorgeschilderten Idyll mit dem Zeisig nähern. Aber je höher wir auf der Rangleiter hinaufsteigen, desto schlimmer wird es. Der Exodus des Bankiers — ich wähle absichtlich das biblisch überlieferte Wort — würde vielleicht versöhnlich wirken, aber Bankiers ziehen nicht aus. Wer auszieht, ist stets in Mittelstellung, und die finanzielle Mittelstellung ist immer schlimm.
Noch vor drei Tagen schritten Exzellenz über den Teppich hin, der da zusammengerollt liegt, seine Unterseite nach außen. Das Pianino, neben dem eine wegen ihrer Koloraturen gefeierte Sängerin stand, lehnt sich schräg an ein Büfett, und nur einige zwischengeschobene Lappen hindern den Zusammenstoß. Aber je sardanapalscher das Mobiliar- Vermögen. je mehr näher sich der Eindruck dem, was ich bei „Sardana- pal“ empfing.
Alles, was ich dabei zu sehen kriege oder mir vor Augen tritt, ist viel besser als alles, was ich besitze, und doch dieser Eindruck des Elenden (nun aufzählen). Solange die Sachen im Dienst sind und einem ihr Zweck fühlbar wird, geht es, im Augenblick aber, wo die Sachen als solche, ganz unvermittelt, als reine Wirtschaftsstücke zu einem sprechen, empfindet man ihre Wertlosigkeit. Und daß die am besten leben und auch v.chnen, die aus dem „Koffer“ leben und für „Leicht Gepäck“ sind Will es was bedeutenden, so wirkt es wie die Schlußszene in „Sardanapal“.
Zur Erläuterung
Die Erwähnung dieser beiden Skizzen in H.-W. Klünners Aufsatz „Theodor Fontanes Wohnstätten in Berlin“ (in Heft 26 der „Fontane-Blätter“) gibt Anlaß, sie dem breiten Kreis der Fontane-Freunde wieder zugänglich zu machen. Die Texte sind vor weit mehr als fünfzig Jahren in Friedrich Fontanes Aufsatz „Wie Theodor Fontane umzog“ in Nr. 369 der „Vossischen Zeitung“ vom 6. August 1922 aus dem Nachlaß des Dichters veröffentlicht worden.
Daß es unfertige Skizzen sind, erkennt man nicht nur an der an einer Stelle in Klammem eingefügten Notiz „nun aufzählen“, sondern vor allem am Stil. Es ist offensichtlich, daß Fontane an den Texten noch nicht gefeilt hat.
Wenigstens der Inhalt des zweiten Stückes gibt einen Hinweis auf die Entstehungszeit. Da Fontane sich an die „Sardanapal“-Aufführungen nur noch schwach erinnern kann, muß die Skizze lange nach Fontanes Kritikertätigkeit entworfen worden sein, also in den neunziger Jahren. Gleichfalls aus „den letzten Jahren“ stammt, nach Friedrich Fontanes Angabe, die erste Skizze.
Wiewohl unfertig, sind diese beiden kleinen Stücke nicht uninteressant. Vor allem verdient ihr gesellschaftskritischer Gehalt Beachtung. Fontane macht den Zusammenhang zwischen der jeweiligen Etage bzw. der Beschaffenheit des Mobiliars einerseits und der sozialen Stellung des Mieters bzw. Möbelbesitzers andrerseits deutlich und nimmt dabei, wie auch sonst oft, insbesondere gegen di® Bourgeoisie in ■ „Mittelstellung“ und ihren protzigen Aufwand Partei. Er bekennt sich gleichzeitig zu den einfachen Menschen, die mit wenigem vo'rlieb zu nehmen wissen. Die persönliche Bescheidenheit des Dichters kommt dabei in menschlich' schöner Weise zum Ausdruck, aber auch seine Stellungnahme gegen das soziale
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