Heft 
(1978) 28
Seite
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seiner letzten Artikel über Glindow zeigt wieder diese faszinierende Kunst des Ausschöpfens eines Textes. Auch für ihn galten Fontanes Worte:Man braucht [...] das Bewußtsein, daß ein bestimmtes Quantum von Sachlichem neben einem liegt aus dem heraus produzierte auch Reuter. Darum sein Bestehen auf philologischer Gründlichkeit, und wehe, wenn in einer Arbeit Sorgfalt in dieser Beziehung fehlte oder etwas vage heruminterpretiert wurde. Reuter konnte ein scharfer Kritiker sein, hielt aber auch nicht mit seinem Lob zurück.

Viele von uns lernten ihn in den sechziger Jahren auf den Fontane- Konferenzen in Potsdam kennen. Er strahlte dieselbe Lebendigkeit aus. die aus seinen Arbeiten spricht, und wir fanden in ihm einen liebens­würdigen Kollegen, der die Geselligkeit liebte.

Reuter ist keineswegs bei Fontane geblieben, das ergab sich schon aus seiner Arbeit an den Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar. Aber wir können wohl an­nehmen, daß Fontane sein Lieblingsautor blieb; man kann sich doch wohl nur einmal mit einem Autor identifizieren, wie er es getan hat.

Hans-Heinrich Reuter ist früh von uns gegangen, aber im Gegensatz zu seinem Meister Fontane hat er seinEigentlichstes früh geleistet. Dies sichert ihm seinen Ehrenplatz unter uns.

Prof. Dr. Charlotte Jolles, London

Buchbesprechung

Ulrike Tontsch: DerKlassiker Fontane. Ein Rezeptionsprozeß. Bonn, Bouvier Verlag Herbert Grundmann 1977 (Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft. Bd. 217)

Diese sehr interessante Arbeit, eine Münchner Dissertation, unterscheidet sich von nahezu allen anderen Schriften über Fontane dadurch, daß sie nicht Fontanes Schaffen und seine Werke zum Gegenstand hat, sondern die Wirkung seiner Werke und daß sie sichnur begrenzt (S. 2) auf die wissenschaftliche Literatur und die Buchliteratur stützt, vielmehr vor allem Zeitungs- und Zeitschriftenartikel über Fontane auswertet, die übrigens bis zum Erscheinungsjahr 1956 das Theodor-Fontane-Archiv, Potsdam, zur Verfügung gestellt hat. Ein derartiger Versuch, das Ver­hältnis der Leser und der literarischen Kritik zu Fontane zu erfassen, ist für die Fontane-Rezeption bis 1933 legitim, da die Auseinandersetzung mit Fontane sich bis dahin im wesentlichen in der Presse vollzog- während die wissenschaftliche Literatur über Fontane, zumal die i n

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