Heft 
(1978) 28
Seite
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Buchfoim, bis 1933 nur geringen Umfang erreichte. Den Verzeichnissen von J. Schobeß und R. Koester zufolge erschienen bis 1933 im In- und Ausland etwa 30 Arbeiten über Fontane in Buchform (die nicht alle ein wissenschaftliches Anliegen verfolgten) und ca. 15 Dissertationen; ihnen stand eine Unzahl von Artikeln über Fontane in Periodica gegen­über.

Die Untersuchung der Haltung desPublikums zu Fontane führt die Verfasserinunter dem Aspekt der literarischen Kanonbildung durch (Vorwort). Es soll also auch gezeigt werden, aus welchen Gründen Fontane heute als Klassiker betrachtet wird. Ob dieses zweite Ziel mit den Methoden der Rezeptionsforschung erreichbar ist. darauf wird noch kurz einzugehen sein.

Nach einleitenden Ausführungen zur Rezeptionstheorie und zur Pro- blcmgeschichte des Klassischen analysiert U. Tontsch die Rezeption der Schliffen Fontanes von 1900 bis in unser Jahrzehnt. Anhangsweise werden die Texte von 12 ausgewählten Artikeln über Fontane (19101973) vdedergegeben, darunter je ein Artikel von Peter Goldammer und Dietrich Sommer.

Den Stoff des analytischen Teils gliedert die Verfasserin so, daß sie sieben Phasen bildet, die sie gemäß ihrer Sicht in vier Abschnitten zusammenfaßt. Zum ersten Abschnitt gehören danach die Phasen der Konsolidierung (19001913 und 19331939), zum zweiten die Phasen derKrise (19131923 und 19391945) und zum dritten die Phasen derStagnation (19231933 und 19451954). Im vierten Abschnitt wird dieSanktionierung des Klassiker-Status (seit 1954) behandelt. Diese die chronologische Abfolge durchbrechende Gliederung ist nicht über­zeugend, da die Zusammenfassung von jeweils zwei Phasen unter einem Oberbegriff auf den historischen Situationswandel mehr formal als inhaltlich bezogen wird. Desgleichen dringen dieHorizontanalysen, mit denen die Verfasserin die Erörterung der Phasen einleitet, nicht bis zum Kern der sozialökonomischen und politischen' Entwicklung vor, sondern bleiben an der Oberfläche, wiewohl sie mancherlei Fakten und Tendenzen aufzeigen, die das Verständnis der Zeitgeschichte erleichtern.

Diese Mängel schränken den Wert der Arbeit zwar ein, jedoch entschä­digt uns die Verfasserin durch ihren auf einem umfangreichen und aussagekräftigen Material basierenden Abriß des Rezeptionsprozesses der Werke Fontanes.

Die Verfasserin zeigt, daß Fontane in der Zeit von 1900 bis 1933 vor allem als märkisch-preußischer und Berliner Dichter galt (Sänger der Mark, S. 45;Preußendichter, S. 46;märkischer Wanderer, S. 83; Historiker der Berliner Gründerzeit, S. 84). Unter diesem Aspekt wurden auch seine Romane gelesen. Das Anziehende an den Werken Fontanes waren für die Leser jener Zeit außer dem regionalen und lokalen Kolorit die Wahrhaftigkeit, Schlichtheit und Liebenswürdigkeit des Plauderers Fontane, sein Humor und seine liebenswerte Persönlich­keit. Das kritische Element in den Werken Fontanes spielte im Fontane- Bild der Leser noch keine nennenswerte Rolle. Vielmehr wurde dem

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