werden konnten. Am 1. Juni 1931 fand die feierliche Einweihung des Lessinghauses statt, bei der in der 1. Etage eine öffentliche Leihbücherei und im Erdgeschoß das erste Lessingmuseum in Kamenz eröffnet wurden.
Diese erste Ausstellung in einem großen überwiegend schwarz gehaltenen Raum mit einer Vielzahl von Vitrinen bot eine ungemein fleißige Zusammenstellung von Büchern von und über Lessing und vor allem von Familienbildern des gesamten Geschlechtes Lessing — war also mehr eine Familiengedenkstätte mit heimatkundlichem Charakter, in der die Persönlichkeit und das Werk des Dichters so gering zum Ausdruck kamen und deren Bedeutung so örtlich begrenzt und unscheinbar war, daß dieses Lessingmuseum in der Zeit des Hitlerfaschismus im Gegensatz zum Berliner Lessingmuseum nicht einmal von den Nazis geschlossen wurde. Die Lessingpflege in Kamenz kam in den Jahren 1936 bis 1945 allerdings völlig zum Erliegen, denn Lessings Werke — vor allem „Nathan der Weise“ — waren verpönt oder wurden im Sinne des faschistischen Regimes verfälscht.
Erst nach 1945 mit der Wiederaufnahme des progressiven kulturellen Erbes erfuhr auch die Lessingrezeption eine entscheidende Wiederbelebung, sowohl auf den Theatern und in den Lehrplänen der Schulen, aber auch speziell und besonders ausgeprägt in der Geburtsstadt des Dichters. Hier wurde als erster und entscheidender Schritt in den Jahren 1951 bis 1953 ein völlig neues, nach den Erkenntnissen der marxistisch- leninistischen Literaturtheorie aufgebautes Lessingmuseum eingerichtet Erstmalig wurde versucht, den Dichter in seiner Zeit darzustellen und Leben, Werk und Bedeutung mit zeitgenössischen Bildern und Dokumenten lebendig zu machen. Die damals angewandte Grundkonzeption ausgehend von den gesellschaftlichen Verhältnissen der Zeit, zunächst Alt-Kamenz und Lessings familiäre Herkunft sowie die weiteren Lebensetappen des Dichters: Schulzeit in Meißen, Studienzeit in Leipzig, erste schriftstellerische Erfolge in Berlin, die Zeit als Gouvernementssekretär in Breslau, die Arbeit als Dramaturg und Theaterkritiker in Hamburg und die letzte Schaflensperiode in Braur.schweig, Wolfenbüttel chronologisch darzustellen, ist ungeachtet der später notwendig gewordenen Veränderungen und Ergänzungen bis heute beibehalten worden. Allerdings hat sich ein in den 50er Jahren bereits zu spürender Mangel, nämlich das Fehlen originaler Sachzeugen, auch bis in die gegenwärtige Zeit nicht beseitigen lassen, wobei man inzwischen Mittel und Wege gefunden hat. dem Besucher trotzdem neben der sachlichen wissenschaftlichen Information ein emotionales Museumserlebnis zu vermitteln.
Das Lessingmuseum von 1954 hatte aber von Anfang an, trotz des grundsätzlich unumstrittenen revolutionären Fortschritts, noch einige andere inhaltliche wie formell-gestalterische Mängel, die im Laufe der nachfolgenden Jahre immer offensichtlicher wurden. Z. B. hatten wissenschaftliche Akrebie, gepaart mit der Absicht, Dokumente und Materialien möglichst lückenlos darzubieten, zu einem wissenschaftlich-fachlichen Überangebot von Textmaterial geführt, das verbunden mit einer ungünstigen Verwendung veralteter Vitrinen für den Durchschnittsbesucher zur Unüberschaubarkeit und Überforderung führte. Deshalb wurde d er aus Altersgründen bedingte Wechsel in der Leitung des Museums in 1 Jahre 1968 mit der Erarbeitung einer neuen Konzeption verbunden, dte unter Verwendung der vorhandenen Räume und Materialien, eine
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