Heft 
(1979) 29
Seite
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Theodor Fontane

Ein unveröffentlichter Brief aus dem Jahre 1870 und seine Hintergründe

Mitgeteilt und kommentiert von Dr. Gotthard Erler

Vom preußischenMinisterium der geistlichen, Unterrichts- und Medizi- nal-Angelegenheiten (Kultusministerium) hatte Fontane seit 1860 eine jährliche Beihilfe von 300 Talern für seine Arbeiten über die Mark Bran­denburg erhalten. 1868 wurden die Zahlungen eingestellt und trotz wiederholter Anträge des Autors nicht weitergeführt. Die endgültige, offenbar höchst demütigende Ablehnung erfolgte am 22. März 1870. Am 15. April schrieb Fontane an Mathilde von Rohr:Mein Gefühl [...] schreibt mir unbedingt vor, auf ein hartes ,Nein, das meiner Bitte zuteil wird, nicht ruhig weiter zu bitten, als wäre nichts vorgefallen. Möglich, daß dergleichen im preußischen Bureaukratismus alle Tage vorkommt, aber wenn dem so ist, so ist es mir nur ein Beweis mehr, daß dies viel­gerühmte Zopfpreußentum mit seinem Dünkel, seiner Filzerei und seiner Grobheit wenig paßt zu dem Zuge meines Herzens. Fünf Tage später gab Fontane seine Stellung bei derKreuzzeitung auf, und Mathilde von Rohr gegenüber kommentierte er seinen Schritt mit der Bemerkung: Den Gram und Groll über diese Dinge hab ich längst hinter mir; was soll ich mich jetzt noch groß über diese mesquine 300-Taler-Affaire kümmern, wo ich es für gut befunden habe, den ausgebliebenen 300 noch die 1000 Taler meiner ganzen ,Kreuzzeitungs-Stelle nachzuwerfen und ein ganz neues Leben anzufangen.

In dieser schwierigen Situation, die durch lange Krankheit noch kompli­ziert wurde (eine böse, endlose Grippe; Tagebuch 1870), suchte Fontane nach neuen Einnahmequellen und knüpfte dabei, noch vor der Kündigung bei derKreuzzeitung, Beziehungen zu dem Geheimen Oberregierungs­rat im preußischen Innenministerium, Dr. Ludwig Hahn (18201888), an, den er von denpolitischen Ressourcen in der Redaktion her kannte und der die ministerielleProvinzialkorrespondenz redigierte. An Lud­wig Hahn ist offenbar der folgende bekenntnisreiche Brief vom 3. April 1870 gerichtet, den wir mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Zentralarchivs Merseburg aus der dort aufbewahrten Fontane-Akte erst­mals veröffentlichen.

Fontanes Brief hatte ein von Eulenburg unterzeichneteswohlwollendes und anerkennendes Schreiben vom 30. April 1870 zur Folge (Fontane an seine Frau, 11. Mai 1870), das dem Autor rückwirkend vom 1. April 1870 an eineRemuneration von 100 Talern vierteljährlich zusicherte, und zwar (wie es im Entwurf in der Merseburger Akte heißt)in Anerkennung und zur Erleichterung Ihrer patriotisch-literarischen Tätigkeit sowie als Honorar für feuilletonistische Arbeiten, über welche der Geheime Ober- regierungsrat Hahn nähere Rücksprache mit Ihnen nehmen wird. Im Tagebuch hielt Fontane lakonisch fest:Geh. R. Hahn eroberte mir eine Unterstützung seitens des Ministeriums des Innern.

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