Fontane scheinen übrigens aus den genannten „feuilletonistischen Arbeiten“ keine ernsthaften Verpflichtungen erwachsen zu sein. Am 11. August 1870 bemerkte er in einem Brief an Mathilde von Rohr: „Er [Hahn] sagte mir, daß er alle meine Arbeiten (ich brachte ihm wieder 3 Briefe) nicht brauchen könne. [.. .] Übrigens — und das war das Beste — sagte mir Hahn: ich brauchte jetzt überhaupt nichts zu schreiben, er würde mir’s sagen, wenn’s wieder Zeit sei anzufangen.“
Ein weiterer Brief an die Rohr (vom 24. i^pril 1872) dokumentiert, daß der Innenminister die Zuwendung (die erst mit Fontanes Tod erlosch!) nicht zuletzt aus Gründen der Rivalität gegenüber dem Kultusministerium gezahlt haben dürfte: „Sie wissen, ich erhalte (durch G. R. Hahn vermittelt) vom Ministerium des Innern 400 Tlr., und zwar zu allerwesentlichstem Teile, ja noch richtiger ausschließlich deshalb, weil mir das Kultusministerium die Wiederbewilligung von 300 Tlr. verweigerte.“
Hochzuverehrender Herr Geh. Rat.
Mit vielem und aufrichtigem Danke akzeptiere ich die zweite Proposition, die mir Ihre Güte gemacht hat, und hoffe, daß mir die Kraft kommen wird, die Aufgabe zu lösen, die ich damit übernehme. Dieser etwas feierliche Anruf wird Sie, hochzuverehrender Herr Geh. Rat, lächeln machen, und ich selbst muß zugestehn: was ist es denn am Ende Großes, daß man alle 8 Tage ein Feuilleton schreiben soll; es gibt ihrer so viele, die es täglich auf drei bringen!
Freilich ist es so, und ich habe auch ein volles Einsehn davon. Aber meine Natur, die ich nun mit 50 Jahren wie ein Kranker seinen Körper ausstudiert habe, stellt sich anders und schwieriger zu diesen Dingen als mein Urteil. Mein Unglück ist eine hypersensitive Organisation, die in keinem richtigen Verhältnis steht weder zu meiner Lebenslage noch, so fürcht ich, auch zu meinem Talent. Nur Leuten ersten Ranges verzeiht man dergleichen. Wer zweiten und vielleicht nur dritten Ranges ist, darf sich solchen Feinfühligkeits-Luxus nicht erlauben. Aus solchen luxuriösen Empfindungen heraus sprach ich heute zu Ihnen. Ich habe aber jetzt wenigstens den aufrichtigen Willen, an mir zu arbeiten und jener Sensibilität, die beispielsweise gegen die Causerien des Muster-Feuilletons einen Degout hat, Herr zu werden.
Ich denke es mir nun so. Ich liege die Woche über im Anschlag, halte LTmschau, sammle Stoff und setze den Sonntagabend ein für allemal fest, das Feuilleton zu schreiben, das ich dann am Montag oder Dienstag zu Ihrer geneigten Verfügung stelle. Ich erlaube mir gleich heute eine Reihe von Thematas einzureichen, wie mir dieselben im Laufe des Nachmittags eingefallen sind. Vielleicht wähl ich hinterher von diesen Stoffen nur sehr Vereinzeltes; es würde mich aber doch freuen zu hören, daß sie in der richtigen Direktion liegen.
346