Heft 
(1967) 5
Seite
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Schreibung, ihr Zeitungsschatten tritt an mich heran und jede Stunde be­lehrt den armen Balladenmacher: daß jenseits des Berges auch Leute woh­nen ." 2

Diese Englandjahre waren im einzelnen durchaus nicht immer glücklich. Vieles, was er erhofft, scheiterte: Leben und Berufskampf drüben waren schwer, und zahlreiche unglückliche Briefe sind uns aus jener Zeit erhalten. Seine Worte über das viktorianische England schwanken zwischen Lob und Tadel, wie man es nicht anders von einem kritischen Beobachter eines Lan­des und von einem Augenzeugen einer in Veränderung begriffenen Zeit erwarten kann. Aber was zurückblieb, verdichtete sich zu einemPracht­stück" der Erinnerung, zu demSchönsten und Großartigsten" 2 , was Fontane erlebt hat:An der Schwelle des besten Lebensabschnittes" und zu einer Zeit, wo die Entwicklung seines eigenen Landes stagnierte, war es ihm ver­gönnt gewesen, an dem sprudelnden Leben der größten Weltstadt teilzu­nehmen, und dieses Erlebnis wird zusammengefaßt in den aphoristischen Worten, die den Titel dieses Aufsatzes bilden:Lind an der Themse wächst man sich anders aus als am ,Stechlin'.'

So ist es nicht verwunderlich, daß bei einem Romancier, dessen Gestaltung auf Finden und nicht Erfinden beruhte, der also Erlebtes, Erfahrenes, Beob­achtetes und Gehörtes in sein Werk verarbeitete, das entscheidende Erlebnis seiner frühen Mannesjahre immer wieder in seinem Erzählwerk Spuren hinterließ und in irgendeiner Form oder Funktion, sei es als Gesprächs­thema, Motiv oder Symbol, seinen Niederschlag fand.

In fast allen seinen Romanen finden wir Anspielungen auf England, sei es auf Land und Leute, Literatur oder Kunst, leicht eingestreut in die Konver­sation, wo sie wie andere Themen, ohne besondere Funktion, zur Plauderei beitragen. Auch liebt es Fontane, englische Brocken miteinzustreuen.

Von tieferer Bedeutung wird dann schon solche Plauderei in Cecile, wo das England-Thema (wobei Schottland immer miteinbegriffen ist) durch die Ge­stalt Gordon-Leslies stärker integriert ist. Gordon, ein in der Welt weit­gereister ehemaliger preußischer Offizier, fühlt sich innerlich immer noch mit der schottischen Heimat seiner Familie verbunden und lenkt die Plau­derei bei der Table d'hote daher in ganz natürlicher Weise beim Forellen­gang auf die Lachsforellen seines heimatlichen Kinroß-Sees. Wenn dabei auch der Name Maria Stuarts fällt und der Willy Douglas',eines beiläufig illegitimen, also doppelt verführerischen Sohnes des Hauses", so ist damit bereits eine leise Andeutung des diffizilen Liebesthemas im Roman ge­geben. Wenn dann später beim Abschied von Thale der Name der Maria Stuart in einem inneren Monolog Gordons noch einmal heraufbeschworen wird, so mit dem Namen die ganze geheimnisvolle Atmosphäre, die um Cecile und St. Arnaud herrscht:

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