Heft 
(1967) 5
Seite
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Und doch, woran erinnert sie mich? An wen? Oder an welches Bild?"

Und er wiegte den Kopf nachsinnend hin und her. Endlich schien er es ge­funden zu haben:Ja, das ist es. Ich habe 'mal ein Bild von Queen Mary gesehen - ich weiß nicht mehr genau, wo: war es in Oxford oder in Hampton-Court oder in Edinburgh-Castle. Gleichviel, es war die schottische Königin, meine arme Landsmännin. Etwas Katholisches, etwas Glut und Frömmigkeit und etwas Schuldbewußtsein. Und zugleich ein Etwas im Blick, wie wenn die Schuld noch nicht zu Ende wäre. Ja, daran erinnert sie mich. Und der alte Oberst! Nun! der könnte den Bothwell aus dem Steg­reif spielen. Wahr und wahrhaftig. Ob er irgendeinen Darnley hat in die Luft fliegen lassen? Es wäre leichtsinnig, sich für das Gegenteil verbürgen zu wollen. Aber weg mit solchen Pulverfaß-Reminiszenzen. Ich will hier mit etwas Heiterm abschließen". (Kap. 16).

Auch in der Gegenüberstellung von Gordon und St. Arnaud spielt die schot­tische Herkunft und das Weitgereistsein eine Rolle. Gordon, der ebenso wie St. Arnaud die Armee quittiert hat, steht als Zivilingenieur mitten im Leben, St. Arnaud dagegen, der Jeu-Oberst, verbringt seine Tage beim Spiel. Gordon ist eine durchaus komplizierte und nicht leicht verständliche Gestalt, erhält aber seine Beleuchtung durch die Kontrastierung mit St. Arnaud, derdas Totschießen als Geschäft betreibt", der aber gerade in sei­nem starren Festhalten an überkommenen Ehrbegriffen viel eindeutiger ist.

Das einzige Beispiel einer England-Reminiszenz in Form einer Beschrei­bung des Erzählers, finden wir in Unwiederbringlich. Das 31. Kapitel schil­dert Holks Londoner Residenz. Nach Holks Bruch mit Christine und der Abweisung, die er durch Ebba erfahren, reist der Unglückliche erst zur Zerstreuung im Süden und der Schweiz umher, um sich schließlich in Lon­don wieder häuslich niederzulassen, dem nächstbesten zur Heimat, da ihn freundliche Jugenderinnerungen seiner Attachezeit an diese Stadt knüpfen. Über dieser Beschreibung, die sich eng an dasTavistock-Square und der Straßen-Gudin" Kapitel in Ein Sommer in London 1 anlehnt, liegt eine ver­klärte Stimmung und ein poetischer Hauch: Holk, nach anderthalb ruhe­losen Jahren findet wieder eine gewisse Heimatlichkeit und innere Ruhe, die auch Fontanes Stimmung während der Sommermonate 1852, besonders in seiner Wohnung am Tavistock-Square, widerspiegelt. Viel Autobiogra­phisches ist auf den wenigen Seiten dieser Beschreibung zusammen­gedrängt, die Nachbarschaft zu Charles Dickens, die Lektüre David Copper­fields, die Theaterbesuche der späteren Englandjahre mit Erwähnung großer Schaupieler wie Charles Kean und anderer, die wir aus Fontanes Theater­kritiken her kennen. Die Anzeige in derTimes" von der Vermählung Ebbas mit einem englischen Lord und der gleichzeitige Brief seines Schwa­gers Arne, der Holk neue Hoffnung auf Wiedervereinigung mit Christine

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