Richard Städicke (Wittstock an der Dosse)
Die Einweihung des Fontanedenkmals in Neuruppin 1907
Erlebnisbericht
Als der Leiter des Fontane-Archivs Potsdam, Herr Joachim Schobeß, in Pritzwalk einen Lichtbildervortrag über Theodor Fontane hielt, zeigte er auch das Denkmal des Dichters, das in Neuruppin steht. Da wurde in mir die Erinnerung an die Einweihung dieses Denkmals wach, die ich während des Aufenthaltes in dieser Stadt miterleben durfte. Ich besuchte damals das Neuruppiner Lehrerseminar und war in dem Jahr der Errichtung des Denkmals Schüler der 1. Seminarklasse. Das Haus der Wirtin, bei der ich wohnte, lag in der Zietenstraße, und so mußte ich täglich auf dem Wege zum Seminar an der Stelle Vorbeigehen, an der das Denkmal errichtet werden sollte. Dadurch konnte ich mit meinen Kameraden die allmähliche Entstehung des Denkmals gut beobachten. Mit der Örtlichkeit waren wir sehr einverstanden, bekam das Denkmal doch einen Platz auf dem ehemaligen Gelände der Stadtwälle Neuruppins, umgeben vom Grün der Rasenflächen, von Bäumen und Sträuchern. Es kam nicht abseits zu stehen, wo es von Besuchern nur gelegentlich aufgesucht worden wäre, sondern der Denkmalsplatz lag direkt an der Straße, die von Süden auf die Stadt zukommt, da wo die Fehrbelliner Straße in die Friedrich-Wilhelm-Straße, jetzt Karl-Marx-Straße, einbiegt, wo im Mittelalter das Berliner Tor Einlaß in die Stadt gewährte. Jeder, der von Fehrbellin her in die Stadt kam, ob mit dem Wagen oder mit der Bahn, hatte das Denkmal vor sich, und wer aus der Stadt nach Süden wollte, mußte an dem Denkmal vorbei.
Unser Deutschlehrer, Herr Seminaroberlehrer Fahrenhorst, verstand es, uns, seine Schüler, in dieser Zeit für Fontane und seine Werke zu begeistern. Wir mußten seine Biographie kennen, mußten die Wanderungen durch die Mark Brandenburg und einige seiner Romane lesen, und er verlangte, daß jeder einige der Fontanischen Gedichte aus dem Gedächtnis vortragen konnte.
Infolgedessen ist es mir heute noch möglich, folgende Gedichte zu rezitieren: „John Maynard", „Gorm Grymme", „Archibald Douglas', „Die Brück' am Tay', „Jan Bart", „Der 6. November 1632", „Der alte Zieten" und „Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland".
Die Enthüllung des Denkmals und seine Übergabe an die Stadt fand am 8. Juni 1907, ein viertel Jahr vor dem neunjährigen Todestag Theodor Fontanes, statt. Unser Seminar nahm geschlossen an der Feier teil, ebenso die anderen Schulen. Alle Schulen und Vereine waren mit ihren Fahnen aufmarschiert.
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