Da ist mir eine kleine Episode in Erinnerung, über die wir später viel gelacht haben. Alle Fahnenträger marschierten, wie es damals üblich war, in weißen Handschuhen auf. Nur unser Fahnenträger, der so etwas noch nicht mitgemacht hatte, trug seine Fahne in bloßen Händen. Das fiel sofort auf und wurde von der Festleitung moniert. Da erbarmte sich ein Hoboist der Militärkapelle des armen Adolf Bellin und borgte ihm seine weißen Handschuhe, die er beim Spielen ja nicht gebrauchte. Wenn sie auch etwas zu groß waren, so war doch Adolf und manchen anderen ein Stein vom Herzen gefallen. Die Kapelle des 24. Infanterieregiments unter Leitung ihres Kapellmeisters Heinichen umrahmte die Feier mit Musik. Unser Seminarchor sang eine Motette, die der Leiter des Chores, Musikdirektor Otto Seidel, zu diesem Tage komponiert hatte. Die Feier verlief in der üblichen Weise: Ansprachen, Enthüllung, Übergabe an die Stadt, Umrahmung mit Musik und Gesang.
Das Denkmal, das dem Dichter gesetzt wurde, fand allgemeine Anerkennung. Es stellt ihn dar in dem Alter, als er die Wanderungen durch die Mark geschrieben hatte. Sinnend, etwas ermüdet von seiner Fußwanderung, hat er auf einer Steinbank in einem Schloßpark Platz genommen. Seinen Hut hat er auf die gegenüberstehende Bank gelegt und den Wanderstab daneben gelehnt. Nun schaut er in die Weite, hinein in das märkische Land, dessen Schönheiten und Geschichte ihn angeregt haben, der Nachwelt davon zu berichten.
Am Abend des Einweihungstages fand im Stadtgarten eine Gedenkfeier für den Dichter statt. Bei dieser Veranstaltung konnten wir vom Seminar auch wieder mitwirken. Unser Chor sang einige Lieder und von besonders sprechbegabten Schülern wurden Fontanische Gedichte rezitiert.
Diese Fontane-Feier war das letzte große Ereignis, das ich während meines sechsjährigen Aufenthaltes in Neuruppin erleben durfte. Bereits im ersten Monat des darauf folgenden Jahres absolvierten wir Seminaristen der 1. Klasse unsere Abschlußprüfung und erhielten damit die Qualifikation für das Lehramt an Volksschulen. Ich mußte nun der Stadt, in der ich soviele Jahre der Ausbildung zugebracht hatte, Valet sagen. Aber immer, wenn ich wieder einmal nach der Fontanestadt kam, habe ich nicht versäumt, dem Dichter, der auch meinen Heimatort in seinen „Wanderungen" genannt hat, aus Dankbarkeit einen Besuch abzustatten.
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