Heft 
(1969) 8
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Du weißt vielleicht, daß sie ih'in nicht blos ein Fest geben, sondern auch einen Flügel schenken wollen. Zu diesem leztren waren aber erst 300 Mark oder nicht viel mehr eingegangen, und er kostet glaub ich 3000. Kommt dies nicht zu Stande, so ist das eine neue Blamage und bereitet neuen Aerger. Man braucht niemandem einen Flügel zu schenken: wenn aber mal davon die Rede ist, wenn das musikalische Berlin sich in seinem Respekt vor St. und in seinem künstlerischen Sinn überhaupt bethätigen will, dann muß dergleichen auch zu Stande kommen; die nicht fertig gewordene Huldigung ist eine Kränkung.

Bei Wangenheims waren die üblichen alten Quidipsen: Fräul. v. Wedell, Frl. Voelcker (Marthas Examen-Kameradin), Fräulein Schlegel oder so ähnlich (eine kleine Musiklehrerin) und Frl. Boehmer. Außerdem nur noch Herr Frommann; Windel 8 ist verreist. Der Abend verging heitrer, als man nach dieser Zusammensetzung annehmen sollte. Frl. Voelcker ist allerdings ein unglaubliches Exemplar; den Lord Rochester zu dieser Jane Eyre möcht ich sehen. Er muß den Schliff eines Küsters haben. Bei Küster fällt mir Pastor Lionet ein; seine Schwester hat sich jetzt mit einem Herrn v. Ledebur verlobt; ich glaube sehr arm, so daß nun die Häuser Lionet und Ledebur doppelt verkettet oder wie Simon Dach sagte verknotigt sind. Damals hatte das noch keinen Doppelsinn.

Ich habe heut dieLebensräthsel gelesen und bin stark in den zweiten Band hinein. Vieles ist angelesen und für Behandlung vonFragen reicht das kleine Köpfchen nicht aus; dennoch kommen Kapitel vor, die mich in Erstaunen setzen. Das große Kapitel, wo Günther und Margarethe (das junge gräfl: Paar) die Schlittenfahrt machen, Frau v. Massow, den alten General und den orthodoxen Pastor im Kaffeehause treffen und wo dann Margarethe, mit Hülfe des Spiegels der über dem kl. Klavier hängt, die Zärtlichkeitsszene zwischen Günther u. Fr. v. Massow sieht, die Flucht Margarethens in den Schneesturm hinaus, die Begegnung mit dem Doktor, die Entbindung, ihre Todesgefahr, das im Tiefsten getroffen sein Günthers, das alles ist so gut, daß es fast nicht besser gemacht werden kann. Es ist doch eine kluge und was wichtiger ist eine talentvolle Frau.

Und nun leb wohl. Wie immer Dein

Th. F.

Anmerkungen

1 Metastasio, d. i. Schulrat Karl Bormann (18021882)

2 Karl Zöllner, Jurist (1821-1897).

3 Professor August Jakob Theodor von Heyden. Maler (18271897).

4 Oberst von Noville und Frau, geb. Bianki.

5 * Karl Hermann Freiherr von Wangenheim (18071890) und Frau Elsy, geb.

Aickner von Heppenstein (18141891).

6 Ferdinand Grimm, Vizepräsident und wirklicher Geheimer Ober-Justizrat.

7 Julius Stockhausen, Konzertsänger (18261906) und Frau Klara.

8 Karl Friedrich Adam Windel, Hofprediger an der Potsdamer Friedenskirche (1840-1890).

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