gewisse Bedrückung über die kleinen und engen Verhältnisse, drin sie lebte und die in keinem rechten Verhältnisse zu der stattlichen Wohnung standen. Sie war eine Hausbesitzerin mit Hof und Garten und Taubenhaus und Stallgebäuden, und doch fehlte es oft an dem Nötigsten. Ob ihre bretonischen Ahnen auch so arm gewesen. Ob George Cadoudal.. . Nein, wer den Mut zum Widerstande hat, den drücken keine kleinen Sorgen. Sie war glücklich und unglücklich zugleich und hing Plänen nach, die sie schon seit einiger Zeit beschäftigten, von denen sie aber aus Scheuheit und um ihres vornehmen Namens willen immer wieder Abstand genommen hatte. Sie schien aber diesmal zu einem andren Entschlüsse gekommen zu sein, und als sie die kleine Lampe angezündet und sich in ihr Vorderzimmer begeben hatte, setzte sie sich an einen Rokokoschreibtisch, auf dessen Hochstück einige Ständer mit Miniaturporträts standen, und schrieb einen Zettel, den sie durchlas, nochmals korrigierte, und ( danach gestrichen: dann in ein Couvert steck] klingelte dann nach der Dienerin, die das Zettelchen [danach gestrichen: auf die Redaktion] zu Buchdrucker Striegau [ darüber: Striegler], bei dem der „Glatzer Bote" erschien, tragen [darüber: bringen] sollte. Die Insertionskosten hatte sie sorglich berechnet und noch einen Zuschlag gemacht, um die alte Dienerin nicht einer Verlegenheit auszusetzen.
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Am zweiten Tage danach sah [danach gestrichen: Oberst] Krake von Torden- skjöld im „Blauen Stern" und unterhielt sich wie gewöhnlich mit Kuring, der selbst ein alter Soldat war, über Kriegs- und Friedenszeiten.
„Ich glaube, Herr Oberst, es geht bald wieder los. Diese Nation da drüben is nun mal so, und dieser Gambetta, der nich mal ein richtiger Franzose ist, gefällt mir gar nicht. Er redt wohl immer vom Frieden, aber das kennt man; eh wir sie nich noch mal vor die Klinge gekriegt haben, eh wird es nichts. Und ich denke mir, wenn es losgeht, ist Herr Oberst auch wieder dabei."
„Ach, lieber Kuring, ich denke gar nicht daran, es sind da jetzt so viele minderwertige Leute, die denken, sie verstehen's; ich sage Ihnen, Schulfuchser sind es, Bücherwürmer. Und da kommt der erste beste hergelaufen und denkt, er ist es. Glauben Sie mir, Kuring, es ist wie mit den Juden. Die haben den Handel im Blut und das Geld und die Advokatenkniffe, und wir haben den [danach gestrichen: Krieg] Soldaten im Blut und können befehlen. Ohne Adel geht es nicht. Ich hatte auch solchen Schulfuchser, is jetzt obenauf. Und die regieren jetzt, die haben das Heft in der Hand, ich spiele nicht mehr mit. Und ich bin froh, wenn ich meinen braunen Wallach mal beim Schützenfest habe, ein biljchen Geknatter und ein bißchen Pauke. Wenn ich nur erst einen Stall hätte. Denn Ihnen seh ich's an, daß Sie mir bloß das Leid nicht antun wollen."
„Aber", sagte Kuring und ging auf den Tisch zu, wo die Zeitungen lagen, „aber haben denn Herr Oberst nicht den ,Boten' gelesen, letzte Nummer heute früh; ich glaube, das wäre was für den Herrn Obersten." Und dabei wies er auf die erste Seite, wo die Anzeigen standen.
Krake wehrte ab und sagte: „Lesen Sie, Kuring; ich habe meinen Kneifer vergessen, und dann flimmert mir's so. Bitte, Kuring, lesen Sie."
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