Pinne. Wenn Du keene andern Neiigkeiten hast!
Elisabeth. So immer schöner! Sieh mal einer! Herr Pinne belieben zu scherzen; ich versteh aber keinen Spaß.
Pinne. Wenn Du keene andern Neiigkeiten hast!
Elisabeth. (Immer heftiger werdend, mit den Füßen trampelnd, die Arme in die Seite gestemmt) Kinder, raus! (Die Kinder trollen sich) Pinne, mach mich nicht rasend!
Pinne. Kann ich nich.
Elisabeth. Kannst nich 7 (sie rückt mit einer Faust auf ihn los)
Pinne. Ne, zu was der Mensch all is, das kann man nich mehr aus ihm machen.
Zur Erläuterung
Der dramatische Scherz, den wir hier nach der Im Fontane-Archiv vorhandenen Abschrift veröffentlichen. Ist, wie am Schluß der Abschrift vermerkt wird, „leider unvollständig“. Mehr Manuskript“, fügt der Abschreiber (d. 1. Friedrich Fontane) hinzu, „Ist bis Jetzt nicht gefunden.“ Das Originalmanuskript, das nicht mehr vor- llegt, stammte, nach einer Angabe am Anfang der Abschrift, „aus Tante Lüsens Papieren“, also aus dem Besitz der Jüngeren Schwester Fontanes.
Daß der dramatische Scherz 1849 entstanden ist, wird ln der Abschrift nicht nur unter dem Titel angegeben, sondern es findet sich daneben noch der handschriftliche Hinweis: „Zum 30Jährlgen Krieg, als Th. F.s Eltern 30 Jahre verheiratet waren.“ Da Louis Fontane und Emilie Labry am 24. März 1819 geheiratet haben, muß das kleine Drama zum 24. März 1849 geschrieben worden sein.
Es Ist unverkennbar, daß der Schuster Pinne und seine Ehefrau Elisabeth Charakter- züge aufweisen, die dem Vater und der Mutter Fontanes eigen waren. Mögen auch die versöhnliche Lässigkeit des Vaters und die streitbare Entschiedenheit der Mutter hier dichterisch überhöht sein, man wird die Ähnlichkeit nicht als zufällig betrachten können, sondern sie ist beabsichtigt. Und wenn auch das dramatische Geschehen im weiteren Verlauf zu einem „Frieden“ geführt haben sollte, so sagt doch aer Vergleich mit dem Westfälischen Frieden, der bekanntlich einen dreißig Jahre währenden, verheerenden Krieg abschloß, genug über die dreißig Ehejahre der Eltern aus.
Das kleine Drama ist wahrscheinlich im März 1849 in Letschin aufgeführt worden oder war mindestens zur Aufführung vorgesehen. Das Personenverzeichnis nennt u. a. Fontanes Schwestern Jenny und Lieschen, seinen Bruder Max und seine Braut (Mila) al3 Darsteller.
In dieser Zeit lebten die Eltern Fontanes noch zusammen in Letsehin, bei ihnen die beiden Töchter. Entgegen der früheren Annahme, wonach die Trennung der Eltern im Sommer 1847 erfolgt sein soll, wissen wir Jetzt, daß die Trennung, die ohne Ehescheidung und ln gegenseitigem Einverständnis vor sich ging, erst im Sommer 1850 vorgenommen wurde, nachdem die Apotheke ln Letsehin, die Louis Fontane bis dahin besessen hatte, an den Schwiegersohn Hermann Sommerfeldt, den Gatten der Tochter Jenny, verkauft worden war.
Daß die Wege Louis und Emilie Fontanes sich in der Tat erst 1850 trennten, gellt aus dem Geburtstagsbrief Theodor Fontanes an seine Mutter vom 20. September 1850 hervor. In diesem Brief, der an „Frau Emilie Fontane Wohlgeboren. Letsehin. Oderbruch“ adressiert ist, heißt es, die Mutter werde „mit dem neuen Lebensjahr (...] beinah ein neues Leben beginnen“. Es wird, schreibt der Sohn, am Geburtstag „etwas still um Dich her sein“. Diese Worte deuten auf die nicht lange zuvor eingetretene Trennung. Fontane versichert dann: „Die Wohnung für Dich ist gemietet.“ Die Mutter ist zunächst nach Berlin gezogen, wo sie 1851 in der Köthener Straße 37a wohnte, hat sich Jedoch bald darauf zusammen mit der Jüngsten Tochter Elise, endgültig in Neurppin niedergelassen. (Vgl. Theodor Fontane: Briefe. Hrsg, von Kurt Schreinert. Zu Ende geführt von Charlotte Jolles. [Bd.] 1. Berlin 1968, S. 13 und [Bd.] 4. Berlin 1971, S. 179 f.)
Die kleine dramatische Arbeit „Der Westfälische Frieden“ entstand also im vorletzten Jahr des Zusammenlebens der Eltern, als noch Veranlassung geben war, den dreißigsten Hochzeitstag festlich zu begehen. Ihr Inhalt freilich weist auf die Ereignisse des Jahres 1850 voraus.