Heft 
(1980) 31
Seite
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Sexta und Quinta hießen die beiden untersten Klassen der Gymnasien. - Das Lied, das Lude und Fritz gemeinsam singen, ist dem sog. Brautjungferlied (Wir winden dir den Jungfernkranz . . . M ) aus Karl Maria von Webers Oper »Der Freischütz nachgedichtet; der Text des Brautjungferliedes stammt von Friedrich Kind.

Der Herausgeber dankt dem Leiter des Theodor-Fontane-Archivs, Potsdam, Herrn Bibliotheksrat Joachim Schobeß, für die freundliche Erlaubnis zur Veröffentlichuug.

Charlotte Jolles (London)

Friedrich Max Müller und Theodor Fontane

Begegnung zweier Lebenswege

I

Max Müller und Theodor Fontane: die Betrachtung ihrer Lebenswege, die sich mehrfach kreuzten, ist in mancherlei Hinsicht aufschlußreich; sie beleuchtet die individuelle Entwicklung sowie die zeittypische.

Beide lernten sich in den frühen vierziger Jahren in Leipzig kennen. Der am 6. Dezember 1823 geborene, also genau vier Jahre jüngere Max Müller, der bereits in Leipzig die Nicolai-Schule besucht hatte, begann im Som- mersemester 1841 sein Studium an der Universität Leipzig; seine ver­witwete Mutter und seine Schwester waren aus Dessau dorthin gezogen, um ihm das Studium zu ermöglichen, denn die wirtschaftlichen Verhält­nisse der Familie waren recht kümmerlich. Sie wohnten im dritten Stock eines Hauses in Reichels Garten am Rande der Stadt. Fast zur selben Zeit trat der zweiundzwanzigjährige Fontane in die Neubertsche Apotheke Zum Weißen Hirsch ein.

In den autographischen Schriften beider, die beinahe gleichzeitig 1898 in Buchform erschienen, wird dieser Lebensabschnitt rückblickend aus der Distanz des Alters geschildert. Beide schauen zurück auf jene politisch aufregenden Jahre des Vormärz, an denen ihre Jugend teil hatte. Für Fontane, für den nach den Anfängen im Berliner Figaro jetzt recht eigent­lich seine dichterische Entwicklung begann, stand diese Zeit im Zeichen Herweghs, weswegen er denn auch in Von Zwanzig bis Dreißig denlite­rarischen Verein, dem er in Leipzig angehörte, als Herwegh-Klub bezeich- nete; wohlgemerkt, Fontane macht es von vomeherein klar, daß diese Namensnennung von ihm stammt:weshalb ich denn auch diesen Leip­ziger Dichterverein als einen ,Herwegh-Klub' bezeichnen möchte. 1 Einmal kommt er dem wahren Charakter jenes Vereins etwas näher, wenn er von Geheimbund oder mindestens Clique spricht, mit denen für ihn seine literarischen Beziehungen begannen, von derFühlung mit der Gegen­wart, von Friktion und Parteinahme, wie sie in Herweghs Gedichten proklamiert wurden. Bei näherem Lesen, vor allem dem Abschnitt über Hermann Kriege, kann man erraten, daß es sich keineswegs nur um einen

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