Heft 
(1980) 31
Seite
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gedacht, daß mich Hakes einladen würden, um dort zusammen Deine Gesundheit zu trinken. Da dies nicht geschah, so lud ich mir Abend Fontane ein, der noch einen Bekannten mitbrachte, und da haben wir uns einen solennen Punsch gebraut, Dein Bild auf den Tisch gestellt und sehr Adel Dich leben lassen. Der Bekannte, den Fontane noch mitbrachte, war ein junger Gutsbesitzer, der Fontane, wie ich Dir, glaub ich, noch gar nicht erzählt habe, vorigen Sommer ä la Hagedorn 14 mit nach London genommen hatte. So saßen wir alle drei bis um 2 Uhr und ließen uns viel von Paris, Italien und Schweiz erzählen, von wo jener eben zurückgekommen war. [...]

Beiliegend schicke ich Dir ein Rebus ... Etwas sehr Schönes, jedoch etwas andrer Art, habe ich jetzt von Heine gelesen. Ein Band neuer Gedichte! Sehr schön und originell, aber sehr stark; sie sind auch gleich verboten! [...] 15

Die Tagebuchaufzeichnungen aus Berlin gehen nicht weiter als bis zum 3. August. Dann kommt eine lange Lücke und am 6. März 1845 nimmt Max Müller das Tagebuch wieder in die Hand. Die folgende Zusammen­fassung seines Berliner Lebens erklärt zum Teil die weitere Entwicklung

Tagebuch Bonn d. 6. März 1845.

Abermals ein neuer Lebensabschnitt, und abermals ein Versuch ihn zu fixieren! Mein Berliner Aufenthalt ist beschlossen. Ich habe dort angenehme und wichtige Bekanntschaften gemacht, Schelling, Rückert, Humboldt etc. Boekh, Jakobi, Mendelsohn, meine Lebens­ansichten wurden klarer und verständiger, mein Leben innerlich lebendig und gegen das äußere Leben gleichgültiger. In der Wissen­schaft war in Berlin selbst wenig zu finden. Die Gelehrten sind zu gelehrt, verschlossen und bieten keine Anregung, und selbst die Schätze der Bibliothek blieben mir lange verschlossen, bis ein Wort von Humboldt dem langen Weigern des Oberbibi. Pertz und des Ministeriums ein Ende machte. Im Dezember kam Hagedorn nach Berlin und forderte mich auf, bei ihm in Paris zu wohnen, zugleich erhielt ich einen Auftrag, auf Emiliens Vermittlung, nach London als Erzieher zu kommen. Großes Schwanken. Entscheidung für Paris, angenehme Selbständigkeit, doch schlug ich auch das andre An­erbieten nicht ab. [...]

Die etwas mysteriöse Persönlichkeit des Baron Hagedorn, der sich schon früher als Gönner des jungen Max Müller erwiesen und ihn auf Reisen mitgenommen hatte, griff in das Schicksal Müllers ein. Hagedorn lud ihn nach Paris ein, wo er eine Wohnung hatte. Er ließ ihn dann aber wieder im Stich, so daß Müller zwar eine Wohnung zur Verfügung hatte, aber sich sonst durchhungem mußte. Wieder arbeitet er an Sanskrit-Manuskripten und stößt am 4. Mai, wo er wieder einmal das Tagebuch zur Hand nimmt, folgende Seufzer aus:

[Paris] 4. May Sonntag. Eine lange Pause! Wozu aber auch dies Lumpenleben noch aufschreiben. Ein Tag wie der andere. Arbeiten,

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