drungen ist und hat nebenher noch jene unbeschreibliche Haltung und Toumure, die sich aus dem Gefühl reichlichen und gesicherten Besitzes ergiebt. Er spricht von einer Badereise wie von Kirschen essen, gibt 20 £ für Stereoskopen aus, kauft alles was ihm gefällt und behandelt Geldsachen mit derselben Sicherheit und Routine wie die Sanskrit-Werke (riesige Bücher dickleibiger als die Bibel) die er edirt. Mit einem Wort, der wohlhabende (800 £) und der berühmte Mann zugleich! Manchem wäre das unbequem, aber ich habe ein Talent mir das ruhig gefallen zu lassen und meinen Weg unangefochten weiter zu gehn.“ 35
Nichts wußte Fontane von Max Müllers Leidensgeschichte, die sich gerade in jenen Jahren abspielte. Seit 1853 liebte dieser eine junge Engländerin, deren Vater nicht in die Heirat einwilligte, weil Max Müllers Einkommen ihr nicht den gewohnten Lebensstandard gewähren würde. Was für den sich so notdürftig durchschlagenden Fontane Reichtum bedeutete, war in Wirklichkeit damals in England nur ein mäßiges Einkommen. Beide jungen Leute litten unter der Hoffnungslosigkeit ihrer Situation. Erst Mitte 1859, als die Gesundheit der damals 24jährigen Georgina durch diese Umstände ernsthaft gefährdet war, gab der Vater nach, und die Heirat fand statt. So etwas kam eben im viktorianischen England auch vor, und es hätte den Nukleus für einen Roman geben können, wäre Fontane damals schon so weit gewesen. Der äußere Glanz der Karriere von Max Müller verbarg noch andere Enttäuschungen. Er erhielt nie den Lehrstuhl für Sanskrit, nach dem er eigentlich strebte und den er verdient hätte; so mußte er seine Hauptarbeit, die Edition der Rig-veda immer mit anderen Arbeiten verbinden, die ihm wenig am Herzen lagen, und das wurde ihm oft zuviel. Über diese Enttäuschung tröstete ihn auch die Tatsache nicht hinweg, daß die Universität Oxford schließlich einen Lehrstuhl für vergleichende Sprachwissenschaft für ihn einrichtete. Das war im Jahre 1868. Auch er “struggled hard“, kein Wunder, daß er in seinen Lebenserinnerungen dieses Wort so oft benutzte, daß es Fontane auffiel. 36 Trotz aller Freundschaft bleibt zwischen beiden eine gewisse Distanz, die es nie zu wirklich vertrauten Mitteilungen kommen ließ oder zu einem intimeren Briefwechsel wie mit dem anderen Leipziger Freund Wolfsohn oder später mit Lepel und anderen Tunnelfreunden. Doch blieb eine lose Verbindung bis zum Lebensende bestehen. Es waren besondere Gelegenheiten, die zu einem brieflichen Austausch führten, wie zum Beispiel Fontanes Rückkehr aus seiner französischen Gefangenschaft im Dezember 1870. Müller verfolgte den Deutsch-Französischen Krieg mit zwiespältigen Gefühlen. Er hatte viele Freunde und Kollegen in Paris, um die er bangte; er verabscheute jegliches Blutvergießen und litt unter der Entfremdung, die dieser Krieg zwischen England und Deutschland mit sich brachte. Seine Haltung war eine tolerante ähnlich der Fontanes. So bat er diesen, dieser Entfremdung seinerseits entgegenzuwirken, so wie er es selber tun wollte. 37 In der Times veröffentlichte er mehrere Artikel in Verteidigung des deutschen Standpunkts. 38 Es war für ihn keine leichte Zeit als Deutscher in England. Die Reichsgründung erfüllte ihn mit einem gewissen Stolz und Patriotismus. Er sah hier die Erfüllung eines der Ziele, nach
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