für „Arbeit und Ordnung“ ist — doch für jeden gilt ein eigenes Verständnis von „Arbeit und Ordnung“.
In „Irrungen, Wirrungen“ kritisiert Fontane die Gesellschaft seiner Zeit und das System der in ihr gültigen Beziehungen von der Position der beschriebenen Gesellschaft aus. Er ist noch weit entfernt von den kühnen Schlußfolgerungen, die er in „Frau Jenny Treibel“ und in „Effi Briest“ ziehen sollte. „Irrungen, Wirrungen“ ist aber von besonderem Interesse, weil hier die wachsende Teilnahme Fontanes für das einfache Volk, für den vierten Stand, deutlich wird.
II
Der charakteristischste Zug im Schaffen Fontanes ist der tiefe lyrische Gehalt, der als künstlerischer Ausdruck des Autors eigene Beziehungen zum Geschilderten offenbart. Die Grundzüge seines Schaffens sind Humanismus und Demokratismus eines Schriftstellers, der um Glück und Freiheit der Menschen ernsthaft besorgt ist. Die lyrische Tonalität ist in vielen * Romanen und Erzählungen („Irrungen, Wirrungen“, „Stine“, „Cecile“, „Effi Briest“) durch die Thematik bedingt, die intime Gefühle und Erlebnisse beinhaltet und die Frau verherrlicht. Ohne Übertreibung kann Fontane als einer der aufmerksamsten und feinfühligsten Frauendarsteller der deutschen Literatur im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts bezeichnet werden.
*
Die elegische Tonalität des Romans „Irrungen, Wirrungen“ ist gleich am Anfang vorgezeichnet. Schon hier hält der Autor eine zeitliche Distanz ein, die die beschriebenen Ereignisse vom Moment des Niederschreibens deutlich abheben — ungefähr 10 bis 12 Jahre. Die Wahl des Verbums in der Vergangenheit weist darauf hin, daß alles im Roman Dargestellte eine Angelegenheit längst vergangener Tage ist: „An dem Schnittpunkte von Kurfürstendamm und Kurfürstenstraße, schräg gegenüber dem .Zoologischen*, befand sich in der Mitte der siebziger Jahre noch eine große, feldeinwärts sich erstreckende Gärtnerei, deren kleines, dreifenstriges, in einem Vorgärtchen um etwa hundert Schritte zurück gelegenes Wohnhaus, trotz aller Kleinheiten und Zurückgezogenheit, von der vorübergehenden Straße sehr wohl erkannt werden konnte. Was aber sonst noch zu dem Gesamtgewese der Gärtnerei gehörte, ja die recht eigentliche Hauptsache derselben ausmachte, war durch eben dies kleine Wohnhaus wie durch eine Kulisse versteckt...“ 12 [Hervorhebungen — E.V.].
Der Eindruck der schnell fliegenden Zeit, deren rascher Ablauf wahrzu- nehmen ist, wird im Roman durch ihre genaue Markierung, durch den Inhalt von Zeitabschnitten und durch spezielles Erinnern an ihre Wiederholung erreicht. So heißt es z.B.: „Es war die Woche nach Pfingsten“, „Andern Vormittags , „Und nun war der andere Abend da**, „Es war die Woche darnach“, „denselben Abend“, „Mitte September“! "„Drittehalb Jahre waren vergangen“, „Nun war Juni 78“ usw.