Heft 
(1980) 31
Seite
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Die subjektive Vorstellung der Helden über die Zeit spiegelt ihren see­lischen Zustand wider. Botho und Lene erleben die Augenblicke in Hankeis Ablage als etwas Wunderschönes; in diesen Szenen verlieren die Helden jeden Zeitbegriil; unerträglich lang dagegen erscheinen Botho und Lene die Stunden, die sie von den Minuten des Wiedersehens trennen. Mitunter wird ein und derselbe Zeitabschnitt von verschiedenen Stand­punkten aus beleuchtet von dem der Helden und von dem des Autors. Die Verlangsamung der Erzählung ist in diesem Fall erforderlich, um den Beginn des Umschwungs im Schicksal der Helden deutlich werden zu lassen, um sie selbst zu erklären und dem Leser die gegebene Situation verständlich zu machen. Nach der Idylle inHankeis Ablage kehren die Helden nach Berlin in den Alltag zurück und ihr Gespräch nimmt gewis­sermaßen Züge der bevorstehenden Etappe ihrer Beziehung vorweg. Unendlich lang erscheint ihnen der Weg vom Bahnhof bis zur Gärtnerei der Dörrs. Quälend und fruchtlos sind Bothos Versuche, ein Gespräch überdie Partie und wie hübsch sie gewesen sei, zustande zu bringen, und schon jetzt erscheint ihnen der Ausgang des Ausflugs alseine Mischung von Verstimmung, Müdigkeit und Abspannung. Lene zieht ein treffendes Resümee des Vorgefallenen:Gestern, als wir über die Wiese gingen und plauderten, und ich dir den Strauß pflückte, das war unser letztes Glück und unsere letzte schöne Stunde. 13

Die Erzählung verlangsamt sich auch in der Szene auf dem Platz, als Botho über sich selbst nachdenkt, über alles, was gewesen, und über die bevorstehende Hochzeit mit Käthe. Der innere Monolog Bothos ist der Ausdruck des Grundgedankens des Romans.Wenn unsere märkischen Leute sich verheiraten, so reden sie nicht von Leidenschaft und Liebe, sie sagen nur: ,Ich muß doch meine Ordnung haben 1 . Und das ist ein schöner Zug im Leben unsres Volkes und nicht einmal prosaisch. Denn Ordnung ist viel und mitunter alles. Und nun frag ich mich, war mein Leben in der .Ordnung 1 ? Nein. Ordnung ist Ehe... Ja, meine liebe Lene, du bist auch für Arbeit und Ordnung und siehst es ein und machst es mir nicht schwer ... aber schwer ist es doch ... für dich und mich. 14

Im Laufe der Handlung, zum Finale hin, festigt sich die Einheit der Zeit. So spielen die Ereignisse des 14. Kapitels am 29. Juni 1375 (Botho erhält den Brief der Mutter, seine Fahrt zum Berliner Gamisonsplatz und seine Selbstbetrachtungen Anden statt); an diesem Tag ereignet sich auch die letzte Begegnung und der Abschied für immer zwischen Botho und Lene (15. Kapitel). Das 16. Kapitel spielt fast drei Monate nach den vorher­gegangenen die Ereignisse Anden Mitte September statt; dann legt der Autor eine Pause von zweieinhalb Jahren ein (der Anfang des 17. Kapi­tels); im 18. Kapitel datiert er die Ereignisse genau:es war Juni 78. Die intensiven Hinweise auf die Zeitabläufe sind um so bemerkenswerter, als sie von der Unbeweglichkeit des Daseins und den starren Charakteren einiger Personen (z, B. Käthes) abstechen:Drittehalb Jahre waren seil jener Begegnung vergangen, während welcher sich manches in unserem Bekannten- und Freundeskreis verändert hatte, nur nicht in dem der

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