Heft 
(1980) 31
Seite
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Nimptsch). Nur ihnen ist es gegeben, für eine gewisse Zeit mit der Natur zu verschmelzen, sich als ein Teil von ihr zu empfinden. Die Natur ist zu harmonisch, großartig und schön, um Falschheit und Unaufrichtigkeit bei ihrem Anblick zuzulassen. Lene dagegen wird Aug in Aug mit der Natur noch natürlicher, menschlicher, freier, denn auf Wiesen, an Waldrändern und den Ufern der Flüsse und Seen vergißt sie die grausame Welt mit ihren Standesbarrieren, ihrem verzweifelten Existenzkampf, ihrer Armut. Hier gibt es nur sie und den Mann, den sie liebt. Die Landschaftsmalerei in der Szene von Bothos und Lenes Spaziergang dient gewissermaßen zur Verstärkung der Emotionen der Gestalten und Situationen. Sie ver­tieft die Bedeutung der dargestellten Ereignisse und Erscheinungen. Die Harmonie ihrer Gefühle, das Vorgefühl des unausweichlichen Abschieds für immer, die Schönheit und Menschlichkeit ihrer Beziehung wird durch großartige Naturbilder unterstrichen. In den Szenen inHankeis Ablage' 1 (Kapitel 11 bis 13) ist die Erzählung neutral, der Autor bleibt hinter den Kulissen, obgleich sein Mitgefühl und seine Sympathie für die Helden offenkundig sind; eigentlich haben diese Sympathien die Farben in diesen Kapiteln gemischt.

In deutlich abwertende Analogie dazu ist Bothos Spaziergang mit seiner Frau Käthe gesetzt. In der Autorenrede wird hier in der Hauptsache mit Käthes Worten gesprochen, wenn sie auch ohne Anführungszeichen stehen. Das drückt den hohen Grad der Assimilation dieser Worte an den Kontext

des Autors aus.wiewohl die Charlottenburger Luft noch mehr hinter

dem ,Atem Gottes* zurückblieb als die Berliner, so war Käthe doch fest entschlossen, im Schloßpark zu bleiben... DerAtem Gottes ist eine Phrase Käthes, sie gebraucht sie auch in der vorauf gegangenen Szene: Die Berliner Luft ist doch etwas stickig und hat nichts von dem Atem Gottes, der draußen weht und den die Dichter mit Recht so preisen. In indirekter Rede heißt es weiter:Westend sei so langweilig, und Halensee sei noch wieder eine halbe Reise, fast wie nach Schlangenbad, im Schloßpark aber könne man das Mausoleum sehen, wo die blaue Beleuchtung einen immer so sonderbar berühre, ja, sie möchte sagen, wie wenn einem ein Stück Himmel in die Seele falle. Das stimme dann andächtig und zu frommer Betrachtung usw.

Hier verbindet sich die indirekte Rede mit beharrlicher Wiederholung charakteristischer Details, die in künstlerischer Hinsicht von Bedeutung sind. Die Wahl der Worte stammt in diesem Ausschnitt aus Käthes Wort­schatz, einer beschränkten und ziemlich eitlen Dame, die weit entfernt ist von jeglichem Verständnis für Naturschönheiten, und die Surrogate vorzieht. Dieser in indirekter Rede gehaltene Ausschnitt ist von des Dichters Rede umrahmt, die in der Vergangenheitsform geführt wird. Der Anfang:Und sie fuhren hinaus ist völlig neutral; das Finale dagegen ironisch:Und alles verlief programmäßig, und als die Karpfen gefüttert waren, gingen beide weiter in den Park hinein, bis sie dicht an das Belvedere kamen mit seinen Rokokoflguren und seinen historischen Erinne­rungen. Von diesen Erinnerungen wußte Käthe nichts... 19

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