Heft 
(1980) 31
Seite
580
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Der Kontrast zwischen den von Fontane dargestellten Personen, die Wahl der Haupthelden, dient ebenfalls zur Schaffung einer poetischen Atmosphäre. Weiter oben wurde schon auf den Unterschied in der Auf­fassung der Natur bei Lene und Käthe hingewiesen, doch beschränkte Fontane sich natürlich nicht auf diesen Aspekt bei der Charakteristik seiner Helden. Lene ist einfach, offen, gerade, menschlich. Käthe dagegen ist leer und oberflächlich, gar zu leicht faßt sie die Welt auf und denkt nicht ernsthaft über das Leben nach.

Das Leitmotiv spielt in Fontanes Werken stets eine wichtige Rolle. In Irrungen, Wirrungen bringt besonders die Gestalt Käthes das Leitmotiv in vieler Hinsicht treffend zum Ausdrude. Fast in allen Situationen sehen wir Käthe lachend:Sie lachte den ganzen Tag über. In den Szenen nach der Hochzeitsreise und in den Dialogen zwischen Botho und seiner Frau und schließlich im Schlußkapitel erklingt Kätheskomisch. Das ist ihr Wort ein universales, das jeder beliebigen Situation den Stempel auf­drückt. Und dieses Wort das Leitmotiv dient als Mittel, die Gestalt einer etwas beschränkten, keinesfalls klugen Frau zu charakterisieren. Dies wird durch Bothos Urteil über sie bestätigt:Er nahm nämlich wahr, daß sie, was auch geschehen oder ihr zu Gesicht kommen mochte, lediglich am Kleinen und Komischen hing ... Und seine Freunde sagen von ihr: Sie dalbert ein bißchen. Jedenfalls ihm zuviel. 20 Nicht zufällig überfällt Botho ein Gefühl von Furcht.

Fontanes Kontrastzeichnung entspricht dem Leben, das aus Kontrasten besteht; mit Hilfe der Beschreibung von Entgegengesetztem wird eine Verstärkung des Eindrucks auf den Leser erreicht. Fontanes Poesie geht Hand in Hand mit der grellen Prosa des Lebens, mit seinen Schattenseiten. InIrrungen, Wirrungen gibt es von Anfang an die Parallele, die der Autor zwischen Frau Dörr und Lene Nimptsch zieht. C. Wandrey schreibt in diesem Zusammenhang:Die Nebenfiguren können ohne Zwang als Varianten und Abstufungen der Hauptpersonen gedeutet werden... Und hier verbindet sich Frau Dörrs Gestalt und Vergangenheit der Gegenwart Lenes. 21

Fontane verlieh weder Lene noch Frau Dörr übertriebene Züge, aber Frau Dörr (und auch Käthe) sind die verkörperte Prosa; Lene dagegen Poesie. Das Poetische an ihr dient mitunter einfach zur Gegenüberstellung der prosaischen, primitiven Helden (z. B. Frau Dörr). In den Kapiteln 4 und 9 (Szene im Häuschen von Frau Nimptsch und der Spaziergang) gibt Frau Dörr, ohne Lene im geringsten beleidigen oder verwirren zu wollen, ständig zweideutige Bemerkungen von sich. Das Urteil von Pitt und Serge über Bothos und Lenes Beziehung ist zynisch; die Anspielungen der Offiziere sind vulgär und gemein. Dabei sind Fontanes Helden durchaus keine Bösewichter, aber ihre prosaische Lebenseinstellung läßt den Leser erschauern.

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Die wichtige Rolle kann nicht übersehen werden, die einige sich wieder­holende Situationen für die Gesamtatmosphäre des Romans spielen.