Einen scharfen Kontrast dazu bildet die Tonalität in den Kapiteln 11 bis 13. Die zärtlichen, lyrischen Intonationen, in denen die Erzählung über die Idylle in „Hankeis Ablage“ geführt wird, wechseln ab mit prosaischen, als Pitt, Serge und Balafrä mit ihren Damen auftreten.
Im Gegensatz zu der elegischen Tonart von Bothos Überlegungen über Vergangenheit und Zukunft stehen die materiellen Berechnungen im Brief von Bothos Mutter (14. Kapitel) oder auch Käthes ständige Albernheit.
Der Wedasel im Stil und in der Tonalität erlaubt dem Autor, seine eigenen Gedanken, sein Urteil, zu äußern. Fontane benutzt ziemlich häufig in seiner Autorerzählung Worte und Wendungen, die den seelischen Zustand seiner Helden ausdrücken. Die Charakteristik des Herrn Dörr wird mit Worten erreicht, die der Gärtner benutzt haben würde, wenn Fontane ihn mehr im Roman hätte sprechen lassen. Auch bei den Szenen von Lenes Umzug ins neue Quartier wird die Autorenrede mit den Worten des Wirts und der Frau Dörr geführt; manche Wendungen Käthes sind ebenfalls an die Rede des Autors assimiliert.
Ein interessantes Detail ist folgendes: Botho und Lene stehen auf verschiedenen sozialen Stufen; der Unterschied zu dem geistigen Niveau des gebildeten Helden ist groß, obwohl Fontane dies nirgends ausdrücklich hervorhebt. Wenn Botho mit Lenes Mutter oder den Dörrs spricht, bemüht er sich, in ihrer Art zu reden; ebenso verfährt er in den Szenen mit Lene. Dies ist kein primitives Nachahmen der Rede des anderen. Botho will allein seinem Gefühl leben, will so denken wie Lene, und darum gleicht der Autor nicht nur die Wahl ihrer Worte aneinander an, sondern auch die allgemeine Tonalität ihrer Reden und Gefühle. Fontane selbst spricht oft im Ton und Geist seiner Helden und das schafft auf einen Schlag ein Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Leser, und läßt das Werk jeder Lehrhaftigkeit und gleichmütiger Leidenschaftslosigkeit entbehren.
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Bei der Lektüre von „Irrungen, Wirrungen“ kann man die Poesie der Sätze nicht übersehen. Klar, eindeutig und licht „singen“ sie buchstäblich. Sie sind speziell so konstruiert, um mit einem Atemzug ausgesprochen zu werden: „Es war die Woche nach Pfingsten // die Zeit der langen Tage ,7 deren blendendes Licht // mitunter kein Ende nehmen wollte.“
..Drinnen im Garten war alles Duft und Frische // denn, den ganzen Hauptweg hinauf // zwischen den Johannis- und Stachelbeersträuchern // standen Levkojen und Reseda // deren feiner Duft sich mit dem kräftigeren der Thymianbeete mischte.“
„Wirklich, der Mond stand drüben über dem Elefantenhaus '/ das in dem niederströmenden Silberlichte noch phantastischer aussah /■' als gewöhnlich.“
„Das Wasser flutete leise // der Wald und die Wiese lagen im abendlichen Dämmer // und der Mond, der eben wieder seinen ersten Sichelstreifen zeigte // warf einen Lichtschein über den Strom 7 und ließ das Zittern seiner kleinen Wellen erkennen.“ 27
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