Heft 
(1980) 31
Seite
588
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Alter und junger Fontane gehören zusammen im Sinne des aufzuzeigen­den Weges, ohne daß dies eine allein nach einer Seite hin aufzulösende Gleichung wäre.

Als Lösungsweg bietet sich ein Grundriß an, indem versucht wird, über bestimmte Knotenpunkte der Entwicklung (Auswahltexte) in das Geflecht der Einzelfragen vorzudringen, um weiterführende Zusammenhänge vom Wesen einer Realismus-Vorsetllung aufzudecken. Diese Thesen stehen zur Diskussion, zur Korrektur und Ergänzung.

III. Phasen und Konzentrationspunktc

Soweit ich es übersehe, konzentrierten sich Fontanes Äußerungen um folgende Ereignisse und Aufsätze:

1. Die Jahre um 1848, in denen Erfahrungen der Leipziger Herweghzeit, Ansichten seiner erstenTunnel-Jahre sowie publizistische Kämpfe der Revolutionsjahre zusammenfließen. Diese Ansichten konzentrieren sich in dem Aufsatz aus denDeutschen AnnalenDer Realismus unserer Zeit (1853 anonym), allgemein als Fontanes Debüt als Kritiker und Theoretiker verstanden. Erste England-Erfahrungen, seineMänner und Helden (1849), aber auch das erste Reisebuch, Reportagen und Kritiken für deutsche und englische Zeitungen wirken im Kontext, 7 im weiteren Sinne die Hoff­nung auf feste Anstellung, der fehlgeschlagene Versuch in München folgt (1859). Und während bereits die ersten Studien zu denWanderungen entstehen, der erste Roman mit historischem Milieu in Arbeit ist, folgen weitere charakteristische Beobachtungen zum Shakespeare-Theater in England (im Vergleich mit Deutschland). Die neuen Vorbilder (besonders Scott) finden Anwendung im großen Alexis-Essay (1873), in der Ausein- andersetung mit deutscher und englischer Romantik, die diesen ersten größeren Abschnitt abrunden. Der Weg zum eigenen Roman ist be­schritten.

2. Den 50er und 60er Jahren folgt in den 70er Jahren ein Durchbruch zu neuen Realismus-Kriterien. Im Zusammenhang mit einer wichtigen Zäsur der politischen Entwicklung (1870/71), die auch für die Dichter-Biographie starke Veränderungen aufv'eist (Übergang von der Kreuz- zur bürgerlichen Vossisdhen Zeitung, Kriegsgefangenschaft in Frankreich, letzter Anstel­lungsversuch, bei der Akademie (1876), erfolgt der entscheidende Durch­bruch zum Romancier, der vom Markt abhängig ist. Die Fertigstellung des Sturm erfolgt 76-78, erste Pläne zuSchach sind bereits nachweisbar. Dennoch ist Fontanes Vorstellung vom (historischen) Roman in der Krise. 7 Überlegungen zum zeitgenössischen Roman schieben sich in den Vorder­grund. An Spielhagens und Freytags Romanen, an Kellers und Storms Novollen werden Stilfragen und Traditionsbezüge diskutiert. Goethes Prosa wird neu gesichtet, Schuld- und Motivierungsproblematik tritt her­vor. Und noch ehe in den 80er und 90er Jahren das neue Polemikfeld des deutschen und europäischen Naturalismus hinzutritt, werden an Fragen und Entwürfen über Romantypen, Zeit(ab)bilder und erste Wirkungsüber­legungen Kriterien für das eigene Werk abgesteckt, die sogleich in die Krise

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