mus gegen die „Geschraubtheit“, gegen „verlogene Sentimentalität“ in der Kunst des 18. Jh. Front machen müsse. Fontanes Eintreten gegen die „Unnatur“ in Tradition und Gegenwart enthält mehreres: das Pathos des bürgerlichen Kampfes von 1848, die „Interessenvertretung“ der Gegenwart, ihren Vorrang gegenüber der Tradition und die Suche nach neuen Vorbildern, die ihn auch mit den eigenen Anfängen abrechnen lassen.
So entscheidet er sich zunächst für Lessing und Herder, Shakespeare und die Volksdichtung und erkennt entsprechend auf die (frühen) Sturm-und- Drang-Dichtungen Goethes und Schillers. Seine Ablehnung der Werke des klassischen Realismus, die, äußerlich ähnlich — z. B. bei Heine unter dem Primat der veränderten Funktion von Literatur, durch ein Engagement für die Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse vorgenommen wurde, dringt auch hier nur bis zur Ablehnung von „Phrase und Überschwenglichkeit“ vor, wird zwar aus dem Bewußtsein des Zeitenwandels, nicht aber gesellschaftlichshistorisch motiviert. Beide, Goethe und Schiller, seien anfangs entschiedene Realisten gewesen, hätten diesen Realismus aber später in „Objektivität“ gehüllt (SzL/6). Schiller habe bereits in seiner Jugendlyrik „den Mund voll genommen“, „Torquato Tasso 1 ' und die „Jungfrau“ werden als deutscher Ausdruck einer Rückentwicklung bezeinchet. (Das Urteil über das Schiller-Drama wird später korrigiert; von neuer Position aus. Vgl. Th. 7.2.) In all’ dem wird zwar ein Bruch mit der Ästhetik der deutschen Klassik verkündet, zugleich aber wird Unsicherheit sichtbar, die Aufgabe, Goethes „Objektivität“ nachzuspüren, als verbleibende Aufgabe benannt. Die Korrektur deutet sich in dem Maße an, in dem die Argumentation mehr Proklamation als eigene Maßstäbe ins Feld führt.
Immerhin setzt diese Traditionsbeschwörung kraftvoll gegenwärtig ein, wendet sie sich scharf gegen die Auffassung, daß nach Goethes Tode die „eigentliche“ Literatur zu Ende sei (SzL/3), und faßt sie die 40er Jahre als Vorstufe zu einer künftigen Blüte der Literatur im Nachmärz auf. Daß damit weder Heines noch Büchners Positionen gemeint sind, zeigt die Hervorhebung von Gotthelfs Romanen, Hebbels Dramen, FreiHgraths Gedichten (worin ein Hinweis auf die Abgrenzung von Heine und Herwegh in den Londoner Jahren anklingt, die neuen Einsichten entspringt; 1854). Die eigene Vorstellung vom Realismus betont dementsprechend das Wirklichkeitsmaterial, den „Steinbruch Leben“, und die Aufgabe des Umformens, der Verdichtung, der „Läuterung des Erzes zum Metall“ (SzL/9). Wirklichkeit und Kunstwahrheit werden nicht gleichgesetzt, was das im einzelnen auch immer bedeuten mag. Der Ansatz ist hier bestimmend. Trotz seiner Vormärz-Bindung ist er offen und amorph — auch für ein gewandeltes Traditionsverständnis, nicht zuletzt für die bald darauf einsetzende 1. Phase der Romantikrezeption bei Fontane. Hier freilich bleibt dies allgemeiner, wenn F. schreibt: „Der ganze La Motte-Fouche ist ihm (dem neuen Realismus, O. K.) mit Haut und Haaren noch nicht das kleinste Uhlandsche Frühlingsliedchen wert, und ein deutscher Kernspruch ist ihm lieber als alle Weisheit des Hariri... ja selbst die .Kraniche des Ibykus 1 mit der Schilderung griechischen Bühnenwesens oder die ,Braut