Zolas Menschen- und Milieudarstellung wie zu Ibsen, deren Massenerfolge er erlebt — ohne ganz einverstanden zu sein, deren Kühnheit der Probleme und Fragestellungen er erkennt, ohne den gleichen Weg zu einem zeitgenössischen Realismus in Deutschland gehen zu können. Vorgezeichnet wird diese Debatte durch intensive Beschäftigung mit deutschen Romanautoren. Mitte der 70er Jahre gebührt auch bei der Vorbildwahl der Vorrang der zeitgenössischen Produktion.
(5) Von Mitte der 70er Jahre an überstürzen sich offenbar für Fontane die Ereignisse. Das objektive Feld der Auseinandersetzung und das subjektive Empfinden eines neuen Anfangs durchdringen sich. Die historischen Entwicklungen und die persönlichen Entscheidungen in diesem Zusammenhang wurden bereits skizziert (s. II). Nicht zuletzt sind dies Jahre einer kontinuierlich wachsenden künsterischen Produktion, die eine neue Art oder Stufe seiner öffentlichen Existenz begründen. Nach und neben Versuchen mit historischen Stollen und Themen dominiert die Suche nach Möglichkeiten für einen zeitgenössischen Berliner Gesellschaftsroman.
(5.1) In den Rezensionen zu Freytags „Ahnen“ (1875) wird ausdrücklich hervorgehoben, daß sich diese Gestaltung eines vergangenheitsgeschichtlichen Stoffes „nicht in Vorhandenes einreihe“, daß sich daher auch eine veränderte Form der Kritik notwendig mache (SzL/80f). Mit den Fragen „Was soll ein Roman' und „Was soll der moderne Roman“ (ebd. 82 f) werden Wirkungsfragen angeschnitten, die über den Anlaß hinausreichen, freilich auch die Unsicherheit des Debütanten verraten. An Fontanes Gliederungsversuch in dramatische, romantische und historische Romane (ebd. 84) ist wohl am bezeichnendsten, daß er diesen von ihm erkannten Genres einen unterschiedlichen Zeitbezug zuordnet. Obwohl die Konstruktion als Ganzes wenig tragfähig ist, dient sie ihrem Verfasser doch dazu, über das Verhältnis von Abbild und „Fiktion“ (86) im Blick auf das Lesevergnügen nachzudenken. Fontanes Entscheidung, sein Eitreten für mehr als Wirkliches („bloß Typisches“; 88), schlägt den Bogen zurück, kann sich an die Überlegungen im Realismusaufsatz von 1853 anlehnen. Sein Plädoyer für die Eigenwertigkeit der Figurenrede, eine neue psychologische Glaubwürdigkeit der Figuren, für das Aufdecken der Kunstwahrheiten im Stoff selbst weist auch diese Überlegungen als Selbstverständigung aus, in der sich eine neue Sicht über den ersten Ansatz hinaus eher ankündigt, als daß sie durchgesetzt ist. Frey tag wird der Vorwurf gemacht, er habe seine historischen Stoffe zu wenig durchgeformt, die Reflexion über Gesichte (und Gegenwart) sei aufgesetzt, der „Steinbruch Geschichte“ offenbare nirgendwo „ein Gemußtes, überall ein Gewolltes“ (ebd.). Fontanes Resümee über die Wirkungsintentionen erstrebter Romankunst, „Anregung ohne Aufregung, Förderung, Klärung und Belehrung“ (ebd.), lesen sich ohne Kontext eher aufklärerisch-traditionell, werden aber in den nächsten Jahren prononciert fortgeführt, um immer häufiger mit der Forderung nach einer klaren weltanschaulich bestimmbaren Autorenposition verbunden zu werden, wie er sie bereits in der Goethe-Betrachtung (vgl. Th. 4) begonnen hatte. So widersprüchlich es erscheint, seine Forderungen nach Zurücktreten des Autors (hinter die Potenzen des Stoffes) und ein Hervor-