treten der Autorenposition aus der Gestaltung des Ganzen, bilden hier die Einheit eines Neuansatzes, bei dem über das Verhältnis von Stoff und Gestaltung hinausgedacht wird. (Daß die Fragestellung darüber hinaus sich mit zentralen Fragen des französischen Naturalismus berührt, muß hier zunächst Randbemerkung bleiben.)
(5.2) Audi an Spielhagens Romanen, besonders “Problematische Naturen“, (aus den 60er Jahren, Rez. zu Lebzeiten nicht veröff.) wird zunächst ein „nicht gewöhnliches Talent“ entdeckt, um sofort zum „angreifbarsten Punkt“ überzuleiten (SzL/105), der mit der anerkannten Leistung dieser Art von Gesellschaftsromanen Zusammenhänge. Hervorgehoben wird, daß es Spielhagen gelungen sei, nicht nur Einzeltypen, sondern ganze Gesellschaftsschichten „im wesentlichen richtig“ vorzuführen, aber — für ihn, Fontane, entstehe dabei zuviel Schatten, zu wenig Licht. Diese später oft wiederholte Formel betrifft Fragen der Perspektivegestaltung, freilich nicht vordergründig, eher auf der Suche nach einem Bild vom Menschen in der Dichtung, das diesen selbst nicht beschädigt (vgl. Th. 5.3). Zuviel Schatten, zu wenig Licht beeinträchtige vor allem auch die Anteilnahme des Lesers (Fontane), es gäbe zuviel Willkür des Schriftstellers (SzLl06). Einschränkend gibt der Rezensent zu, dies glücke, soweit es Gesellschaftssatire ergebe (womit eine Ausweitung des früheren Romanschemas, vor allem aber auch der Blickrichtung, des Zusammenhanges zwischen Genreproblematik und Wirkungsfragen stattfindet). Dennoch beharrt F. auf seiner Ablehnung dieser Position, es fehlen ihm „Schönheit, Frieden, Poesie, Versöhnung“ (SzL/108). Was vordergründig nach Harmonisierung und Apologie des Bestehenden klingt, verrät aber auch Unsicherheit und Suche nach weiterführenden Möglichkeiten, den Publikumsbezug zu artikulieren. „Mitleiden“, „mit dem Herzen“, könne man mit Spielhagens Figuren meist nicht — aber er gesteht auch, daß er „selten ein Buch“ gelesen habe, daß ihn so „schwankend im Urteil“ gemacht habe (S/108), und ein Jahr später stellt er seine Maßstäbe erneut in Frage, wenn er zu Spielhagens „Sturmflut“ sagt, offenbar handele es sich hier um eine andere Vorstellung vom Roman (als er sie selbst habe), mit der eine andere Funktion verbunden sei. Trotz der Kritik in solchen Romanen nennt er solche Töne dennoch „kritiklose Unterhaltungsfunktion“ (AzL/90), und er führt diesen Ansatz (freilich unter neuen Bedingungen) 1896 weiter aus, wenn er anläßlich von „Effi Briest“ und „Zum Zeitvertreib“ (1896) die Verurteilung der Gesellschaft bei Spielhagen nicht „scharf genug“ (67) nennt (beide Autoren hatten den gleichen Ardenne-Stoff bearbeitet. 10
Aber dies ist ein Vorgriff. Hier, in den 70er Jahren, verlangt F. schließlich ein Maß an Wahrheit (das nicht direkt politischen Überlegungen entspringt), das auf seiten des Lesers vor allem „Erhebung“ ermögliche. „Erhebung über den Alltag, das Wirkliche“ — „Schön Menschliches“, Versöhnung, weil „das Leben“ (im ganzen) anders sei als in diesen Romanen Spielhagens. Daß trotz dieser explizit erbaulichen Wirkungsintention mit diesem Terminus der „Erhebung“, der weiterverfolgt wird, der Weg zur gesellschaftlich motivierten Gestaltung von Einzelschicksalen beschritten ist, zeigen Forderungen wie „Der Mensch, den diese Dichtung vorführt,
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