Dieser Terminus der „Verklärung“ wird leider auch ganz unkritisch als bloße Klassik-Nachfolge verstanden (Greter), 11 obwohl schon R. Brinkmann auf die schillernden Bezüge dieses unterschiedlich verwendeteten Begriffes aufmerksam gemacht hat. Wir erinnern zunächst an die bereits mitgeteilte Beobachtung, daß Fontanes Polemik angesichts wechselnder Partner zu unauflöslichen Antimonien geführt hatte (vgl. Th. 5.2) — möchten hier vor allem betonen, daß die Formulierung explizit aus dem weiten Zusammenhang von Gestaltung und Wirkung erwächst. Im Grunde fehlt dazu die bereits Jahre früher (1883) begonnene Kritik Zolas, die den Auftakt zu einer Konfrontation mit radikal veränderten Wirkungsvorstellungen bildet.
(6.1) Bei der Beschreibung und Kritik der Rougon-Marquart-Romane Zolas (1883); erst 1964 veröff.) setzt Fontane bei der Einbettung des Geschehens in politische Zusammenhänge an: Familie Macbeth im kleinstädtischen Bourgeoismilieu, der Staatsstreichperiode nach 1851, politisches Vabanque- spiel, „Habsucht, Ehrgeiz, die sich — und dies ist die Hauptsache — mit grenzenloser Rücksichtslosigkeit in Szene setzen“ (SzL/131; Hervorh. Th. F.). Er würdigt die Absicht Zolas und formuliert dann als Zentrum seiner Kritik die vorgeführte Sicht auf das Individuum (AzL'135). Der Mensch bei Zola habe keine „Seele, die kraft ihrer selbst“ (ebd.) „Großes“ könne, sondern er sei absolut abhängig von „Blutmischung“ und Nerven, von seiner sinnlichen Ausstattung. Die Negierung des „freien Willens“ mag insofern überraschen, als sich Fontane theoretisch (vgl. Th. 4) wie praktisch stets auf der Suche nach Determinanten für individuelles Verhalten befunden hatte. Aber er tritt auch nicht für die Existenz eines freien Willens schlechthin, sondern hier explizit gegen die Zola’sche Variante eines Milieufatalismus auf, der er im einzelnen nicht gerecht geworden sein dürfte, u t> der er im ganzen, und in neuen Zusammenhängen, fruchtbare Anregungen verdankt. Das Mißverständnis ist prinzipieller Art.
Die Verknüpfung mit eigenen Vorstellungen und Versuchen führt ihm auch hier die Feder, und der Zusammenhang mit anderen Kunstäußerungen ist nicht zu übersehen. So begegnet er entschieden der Gleichsetzung des Faktischen („Häßlichen“) mit dem Wirklichen mit der Forderung nach darüber hinausreichender Autorenbewertung. Fontane geht auch hier bis zum Vorwurf „fehlenden Ehrgefühls“ (AzL'138), verwirft danach den zentralen Ansatz dieser Gestaltung: das Netz der Handlungsverknüpfung, die Motivierung der Figuren und Ereignisse bei Zola (AzL/146f). Wiederum auch hier keine Polemik gegen das wirkliche Leben, aber mit der bereits bekannten Formel, daß „alles vorkomme“ (147) wird Auswahl, Verdichtung und — hier programmatischer — gefordert, daß die besonderen, individuellen Schicksale (Ausnahmefälle) nur durch die Verkettung mit allgemeinen Umständen („nicht die persönlichen“; ebd.) gerechtfertigt würden. Hierin vor allem sieht F. die Unterschiede zu seiner eigenen Realismus-Vorstellung. Aus der Sicht des Lesers fordert er: „wir, in gleicher Lage, hätten denselben Ausnahmefall eintreten lassen“, sonst, „fällt unsere Mitleidenschaft fort: das absolut Gute und Böse läßt uns kalt, weil es nicht mehr menschlich ist.“ (AzL/147 f) Sein eigenes Pro-