Heft 
(1980) 31
Seite
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gramm der Typisierung kündigt sich an. Zolas Alternative zu idealistischen Menschenbildkonzeptionen teilt er nicht.

(6.2) Auch Turgenjews RomanNeuland begegnet Fontane (1885?) mit der Kritik, Verfasser und Held hätten keine Ideale. (SzL/91) Der Tod des Helden (eines Revolutionärs) erscheine so doppelt traurig:Es fehlt alles Versöhnliche, kaum eine Zukunftsperspektive (ebd. 92). Wie wenig starr aber solche Urteile trot zder sich wiederholenden Begründungen auch für Fontane waren, bezeugt die Neubewertung gerade dieses Romanschlusses, als F. auf neue Weise stärker in die Breitenresonanz naturalistischer Dramen und, damit verbunden, sozialer Auseinandersetzungen verwickelt ist. Als er 1894 über den Schluß derWeber von Hauptmann nachdenkt, enthält auch dieser Roman von Turgenjew mit seinemphrasenlos-Nütz- lichen dasLicht des kommenden Tages (SzL/193). Fontanes gesamtes Literaturverständnis ist Ende der 80er Jahre in Bewegung, nicht linear vorwärts, aber in deutlicher Abhängigkeit von der großen Resonanz der realistischen Schule beim Publikum. TolstoisMacht der Finsternis (rez. 1890) wird zum leuchtenden Vorbild dermodeme(n) realistische(n) Kunsterklärt, obwohl überallNacht vorherrsche (SzL/180). Die Formel vonSchatten und Licht wird in neuen Zusammenhängen gesehen.

Auf dem Wege dorthin, gleichwohl auch im Widerspruch dazu, liegt die scharfe, bedeutsame Polemik gegen Ibsen.

(6.3) Ibsens Dramen,Nora (1887 rez.),Die Gespenster (87, 89 rez.), vor allem aberDie Wildente (88 rez.) erscheinen ihm wiederum (man denke an Spielhagen und Freytag) alsnicht an überkommenen Werten zu messen (AzL/159). Die Kritik gilt vor allem den moralischen Grundüber­zeugungen dieser bahnbrechenden Stücke. Eine überraschendeUnfertig­keit bringe ihn, Fontane, um den Genuß der Stücke. Scharf abgelehnt wird der Individualismus im Protest des Skandinaviers und als deut­licher Gegenentwurf darf hierIrrungen, Wirrungen (1888) verstanden werden. Fontane sucht die gleichwohl enorme Wirkung der Stücke (SzL/189) aus ihrer Modernität, aus ihrem Streitwert in der öffentlichen Diskussion über Klassik und Realismus herzuleiten. In diesem Streit entscheidet sich der Rezensent für Ibsen, er fügt aber hinzu,ob das wahr ist, stehe dahin (ebd.). Im Protest gegen dieleeren Kirchen klassi­zistischer Kunst helfe solch ein Programm wohl, aberdas Schöne (SzL/190) sei auf diesem Wege nicht zu haben. Entschieden lehnt er Auf­führungsverbote ab. Anläßlich der Aufführung derWildente kommt er auf den Kern seiner Einwände zurück.

Alle sogen. Ideale des Stückes erwiesen sich als Phrasen, obwohl solche Stücke gegen weitverbreitete Phrasen, gegenLügenideale zu Felde zögen. (SzL/191). Die Beschreibung des sozialen Elends sei durchaus wähl, und obwohl das Gebäude derüberkommenen Ästhetik (192 f) nun in allen Fugen krache, entlasse ihn auch dieses Stück ohneErhebung. Eindeutig wird dieser Terminus freilich nicht mehr verwendet. Fontane fragt:...aber muß es denn durchaus Erhebung sein? Und wenn es Erhebung sein muß, muß sie den alten Stempel tragen? Sind nicht andere

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