Erhebungen möglich? Liegt nicht ... auch in der Unterwerfung eine Erhebung? Ist nicht auch Resignation ein Sieg?“ (SzL/193) Die Macht (das Primat) der Verhältnisse steht für F. außer Frage.
Im Kontext des eigenen Werkes wird Entsagung nun zum Programm. Freilich ist auch diese Lösung im Verhältnis von Individuum und Gesellschaft ein erster Ansatz, der zur sozialen Motivierung seiner Figuren in den späten Romanen führt. Auch dort (wie hier) stehen gesellschaftliche Determination und psychologisch-schicksalhafte Prädestination nebeneinander und bedürfen eines Lesers, der weiterdenken kann.
Fontane deutet diese Möglichkeit selbst an, wenn er im selben Aufsatz zu Turgenjew zurückblickt: „In Turgenjews Roman ,Neuland“ verklingt auch alles trübe genug, und alle, die wirr und unklar strebten, gehen zugrunde. Aber auf den einen, der allen Utopien fremd, ohne Phrasen einfach Nützliches und zugleich nächstliegend Menschliches ins Auge faßt, auf ihn fällt das Licht des kommenden Tages.“ (ebd.).
Erhebung, Untergang und Verzicht auf Freude schließen sich nicht mehr aus. Erhebung in einem neuen Sinne wird erstrebt, freilich — „Diese Fragen sind in der Schwebe“, fügt Fontane hinzu. Trotz der Kritik an Ibsen endet die Rezension mit einem Gleichklang, mit dem Eintreten für „Lebeleute“ (193). Angesichts der herrschenden Verhältnisse liege bei ihnen das Gesunde, weil sie ihre Schuld „quitt“ machen könnten, indem sie jeder Phrase abhold seien. Mehr noch, weil sie nicht von „Idealen“ sprächen und „nur sich selbst meinen“ (ebd.). Für vordergründige Idealisierung (Möglichkeiten des Subjekts) tritt F. nicht ein.
Solche Ansichten führen von Lene Nimptsch zu Pauline Pittelkow und Jenny Bürstenbinder-Treibei. Habsucht, Ehrgeiz, Rücksichtslosigkeit erscheinen als moralische Qualitäten, die in dem Maße als gesellschaftlich typisch erkannt und vorgeführt werden können, wie die tapfere Gegenwehr der natürlichen Leute (Lebeleute) als „erhebend“, als Sieg über das „Walten unerforschlicher Schicksalsmächte“ (193) empfunden werden kann. Fontane geht eigene, andere Wege als Zola und Ibsen, dankt dieser Begegnung aber ganz wesentliche Impulse.
(7) Die öffentliche Debatte um einen zeitgenössischen Realismus, deren Spuren vereinzelt hinter den wechselnden Anlässen hervortraten, führten Ende der 80er Jahre zu einem Versuch Fontanes, seine Ansichten auch begrifflich schärfer zu fassen. Erneut wird dazu die Tradition bemüht, um in einem ebenso persönlichen wie allgemein aufschlußreichen, wenn auch nicht unbedingt originellen' 2 Verschmelzungsversuch von „Realismus und Romantizismus“ zu gipfeln. Die Bezugspunkte für einen Realismus dieser Art haben sich verschoben und verändert, und selbst wenn vertraute Namen für das eigene Programm beschworen werden, werden mitunter andere Beziehungen aufgebaut.
(7.1) Bereits 1883 hatte Fontane „Über das Gemeinsame von Realismus und Idealismus“ nachgedacht (AzL/171f). Der spätere Aufsatz von 1889 bezieht den früheren Ansatz ein, wenn der Dichter schreibt: „Ich wähle diese Gegenüberstellung (Realismus und Romantizismus; hervorhg. Th. F.)