und durch bittere Erfahrungen mit Öffentlichkeit und Kunstmarkt betrachtet wird. Ehe er in diesem Punkte nicht neue, schärfere Positionen bezieht (90er Jahre), erscheint seine Suche (Abgrenzung von Zola und Ibsen) als unlösbarer Widerspruch. Hinter dem Streit um die Begriffe steht die Frage nach den damals realen Wirkungsmöglichkeiten des Künstlers.
Die Ausweitung einiger Begriffe der klassischen Poetik( Erhebung, Verklärung, Schönes und Häßliches) in Richtung auf den Leser, die Bereicherung seiner Realismusvorstellungen um diesen weiten Zusammenhang setzt bei der Frage möglicher Perspektivegestaltung in Texten an und führte ihn nach Beobachtungen großer Kunstwirkungen immer wieder zu Fragen der Gestaltung zurück.
Damit erscheint bereits Mitte der 80er Jahre der Boden bereitet, auf dem dann die Anerkennung (und Abgrenzung) von Gerhart Hauptmann statt- flnden kann. Sie ist in diesem Sinne in seinen Kritiken zu Zola, Ibsen, Turgenjew, aber auch zu Spielhagen und Lindau, vorgezeichnet.
Subjektives Funktionsverständnis und objektive Kunstwirkung sind nicht deckungsgleich, freilich auch nicht als unveränderliche Gegensatzkonstellation zu begreifen.
(7.) Für eine vom Dichter erstrebte Synthese aus Realismus und Romantizismus hätten in der deutschsprachigen Tradition Keller und Storm nahegelegen. Ob er ihr Alterswerk kannte, ist fraglich. Den ..Martin Salander“ ließ er sich vorlesen (SzL 248).
Bereits die in den 70er Jahren geschriebenen, zu Lebzeiten nicht veröffentlichten Rezensionen zu Kellers Novellen lassen neben hoher Wertschätzung den bemerkenswerten Vorwurf erkennen, „Einige der am meisten bewunderten (Novellen) sind stillos (Hervorh. Th. F.), und dies bis zu einem so hohen Grade, daß... die Wirkung darunter leidet “(SzL/93). An „Romeo und Julia“ wird das demonstriert. Die erste Hälfte der Fabel lebe vom Realismus, die zweite vom Romantizismus. Da dies ausdrücklich als Stil- bruch gekennzeichnet ist, müssen wir über Fontanes Eigenerklärung hinausgehen, daß Kellers Stärke nun mal der „Märchenton“ (94), die „kleinen Gegenstände“ (95) gewesen seien. Wie sich durch Briefe (z. B. an Heyse; SzL/350,52) erhärten ließe, gilt die Kritik offenbar grundlegend der Gesamtperspektive und damit dem Literaturverständnis Kellers überhaupt. Der mit der preußischen Großstadt vertraute Schriftsteller Fontane hatte keinen Sinn für den republikanischen Utopismus Kellers (und kann ihn wohl auch nicht haben). Er ordnet ihn daher (nicht ganz zu Unrecht) „in jene .zweite Epoche“, wo die Kunst für das aufkommen muß, was am eigentlichen Borax bereits verlorengegangen ist.“ (SzL/96) Solche Sätze lassen sich programmatisch deuten, weil mit ihnen nicht nur die Wertung des klass. Kunstprogramms Goethes und Schillers verbunden ist, die in anderen Äußerungen (vgl. Th. 4) beim Eindruck überholter Zeitbilder, von Langeweile stehen blieb. Mehr als eine sterile Klassikrezeption des deutschen Bürgertums nach 1860 bildet den Anlaß; offenbar berühren sich solche Äußerungen eng mit Fontanes Ausgangspositionen zum Realis-
602