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spondenz mit O. Brahm und P. Schlenther (den Begründern und Vorkämpfern der „Freien Bühne“) führt diesen Strang von Beobachtungen fort. Daß über einzelne Rezensionen hinaus nun immer stärker direkt politische Bezüge, im weiteren Sinne sozial-ethische Fragen in den Mittelpunkt treten, ist daraus jedoch immer nur vereinzelt zu belegen, stärker (wenn auch bei verändertem Adressaten-Bezug) aus den Korrespondenzen mit Friedlaender und Morris, der Familie, den Verlegern (was die Möglichkeiten dieser Studie überschreitet). Daß sich der Blick in den voraufgegangenen Kämpfen tatsächlich geweitet und stärker kritisch der politischen Realität zugewandt hatte, dafür gibt es noch ein der Naturalismusdebatte nahestehendes Zeugnis, den Briefwechsel mit Maximilian Harden, dem Herausgeber der Wochenschrift „Die Zukunft“ (über Oskar Panniza, der für seine Kritik christlicher Vorstellungen mit einem Jahr Gefängnis bestraft wurde). Diese als Panniza-Brlcfe bekannt gewordenen Äußerungen Fontanes (1895) gehen über den Anlaß (das Drama „Das Liebeskonzil“; vgl. SzL/299 f und 501 f) weit hinaus und handeln auch nur indirekt von poetischer Programmatik. Gerade aber in diesem weiten weltanschaulichen Ansatz ist Grundlegendes zu entdecken, das zu den meist nur am Rande vermerkten Äußerungen über die bestimmenden Produktionen des Literaturmarktes gehört.
„Die ganze Welt steckt in dem Vorurteil ,daß der Glauben etwas Hohes und der Unglauben etwas Niederes ist. Wer sich zu Gott und zur Unsterblichkeit seiner eigenen Seele bekennt, ist ein Edelster oder dergleichen ... mit diesem furchtbaren Unsinn muß gebrochen werden... Hohn war immer eine berechtigte Form der Kriegsführung.“ (SzL'ßOO).
Die Kritik der Phrasenhaftigkeit nimmt neue Züge an, die nicht mehr literarischer Polemik i. e. S. entspringt. An Friedlaender schreibt Fontane (1890):
„Das literarische Leben des Winters gruppiert sich um die .Freie Bühne 1 , sowohl um das Theater wie um das Blatt gleichen Namens Ich verfolge alle diese Erscheinungen mit dem größten Interesse und finde, die Jugend hat recht. Das Überlieferte ist vollkommen schal und abgestanden; wer mir sagt: .Ich war gestern in der .Iphigenie 1 , welch ein Hochgenuß! 1 der lügt oder ist ein Schaf und Nachplapperer.“ (SzL/360).
An denselben Briefpartner wird fünf Jahre später jener „Haß auf alles, was die neue Zeit aufhält“ formuliert, wiederum mit deutlichem Bezug auf „Unsinn und Lüge“ (SzL'369).
Fontanes literarische Maßstäbe sind in Bewegung, selbst die Satire erscheint als angemessene Kampfform. Sein Gesellschaftsbild wird zunehmend von kritischen Zügen bestimmt. Das vor allem bestimmt die Suche im Bereich der ästhetischen Fragen. Ethisch und künstlerisch stecke die neue Richtung (des Naturalismus) noch voller Fragen. „Aber auch darüber ist schließlich noch zu streiten... “, schreibt er anläßlich von „Die Macht der Finsternis 1 (Tolstoi, vgl. SzL^180).
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