Heft 
(1980) 31
Seite
607
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Nachdem er andere Stücke Gerhart Hauptmanns vorwiegend kritisch beurteilt hatte und dies auch weiterhin tat (Florian Geyer, 1896;Die versunkene Glocke, 1896), wendet er sich in seiner Kritik derWeber erneut den Möglichkeiten tragischer Schlüsse zu (1894). Es interessiert ihn die Frage, warum Hauptmann das,was ursprünglich ein Revolutionsstück sein sollte, schließlich als Antirevolutionsstück ausklingen ließ (SzL/212). Denn dies sei offensichtlich nicht nurvon Staats- und Obrigkeitswegen 1 geschehen, der Gegenstand des Protestes, die Art der Revolte seien nicht eigentlich der Tragödie würdig ,derrevolutionäre Sieg' hätte leicht als Sieg der Rache erscheinen können (ebd.). Durch den abschwächenden Schluß aber gewinne das Stück an Wirkung alsdoppelte(r) Mahnung, als Mahnung nachoben undunten. So widersprüchlich sich diese Wertung lesen läßt, weil vordergründig auch die politische Moral der Versöhnung eingeschlossen ist, dürfte bemerkenswert sein, daß F. hier nicht nur am Rande, sondern als Kernpunkt seiner Überlegung die Poten­zen des Stoffes im Blick auf Publikum und Leser erörtert. Gesellschafts­veränderung direkt-politisch ist nicht gemeint; aber indem über die Recht­fertigung der Weber alsRache hinausgedacht wird, wird das Weiter­denken auf seiten des Rezipienten in die Überlegungen zum Umgang mit dem Stoff eingebracht. Dies schließt den weiten Horizont anderer Über­legungen des Dichters ein, inwieweit die individuelleResignation (vgl. Th. 6.2)Erhebung bedeuten undFreude bewirken könne. Grundsätz­liche Passivität gegenüber dem Leben ist nicht gemeint. Freilich muß die Antwort nach dem Spielraum des Individuums gegenüber der Gesellschaft widersprüchlich bleiben, seine großen Romane bergen da bis heute ihre Lesarten.

(9) Durchdenkt man die Frage, in welchem Maße Fontane zu Einsichten über die objektive Funktion von Kunst in der bürgerlichen Gesellschaft vorstieß, so bieten sich die Aufsätze überDie gesellschaftliche Stellung der Schriftsteller (188191) an. Man muß sich darüber im klaren sein, daß darin zwar ein ganz bedeutender Ansatz zur Objektivierung vorliegt, daß aber dieser Ausdruck des Nachdenkens (mit seinen Vorstufen) nicht alle Erfahrungen mit Verlegern, Kritikern und Publikum umfaßt, die zu diesem Thema gehören. Die Grenzen einer Darlegung, die vorwiegend mit theo­retischen Schriften operiert, werden hier besonders sichtbar. Generell leuchten wir mit dem Aufsatz von 1891 (auf Wunsch des Dichters zunächst anonym veröff.) in ein Geflecht von theoretischen Überlegungen und prak­tischen Erfahrungen, das die Distanz zu den tatsächlichen Funktions- Mechanismen des Marktes und der Gesellschaft nur partiell ausschreitet. Widersprüchliche Positionen können auch hierbei Indiz und Wegleitung für grundlegende Zusammenhänge sein die von mehreren Disziplinen aus zu erforschen wären. ,5

(9-1)Wie ist die Stellung des Schriftstellers? fragt F. und antwortet nicht allein mitmiserabel und schlecht im Sinne der öffentlichen An­erkennung; er fragt weiter nach den Ursachen.Die, die mit Literatur und Tagespolitik handeln, werden reich, die, die sie machen, hungern entweder oder schlagen sich durch. Die Markt- und Geldabhängigkeit des Gewerbes