(die sich hier vor allem als Abhängigkeit der Produzenten von Verlegern und Herausgebern zeigt) habe letztlich die „Unfreiheit“ zur Folge, einen Status wie „mittelalterliche Hörigkeit“. Schriftsteller seien unter diesen Bedingungen „Tintensklaven“ (SzL/117). „Preußen-Deutschland“ figuriere dabei „immer mit in erster Reihe“ (ebd.).
Das ist radikal geurteilt, dennoch nicht aus grundlegender Einsicht in die Kunstfeindlichkeit des Systems (den Warencharakter aller Produktion) bezogen. Scharfe Beobachtung und illusionäre Vorschläge finden sich nebeneinander.
Fontane erkennt, daß auch die etablierte Schriftstelleraristokratie keine Ausnahme bildet (118), denn im Vergleich mit der Ministerialbürokratle des Staates genieße auch sie „keine rechte Achtung“ (AzL'181). „Kunst ist Spielerei, ist Seiltanzen“ ,schreibt er 1881, und 1891: „Respekt ist etwas, das kaum vorkommt. Immer verdächtig, immer Bläme. Das ganze Melier hat einen Knacks weg.“ (SzL/118). Übergeht man seine Ansichten über Unterschiede in der öffentlichen Stellung zwischen bildenden Künstlern und Schriftstellern und den von ihm selbst auch in Frage gestellten Vorschlag einer „Approbation“ der Schriftsteller durch Titel und Auszeichnungen (AzI/lSSf—SzL/120f), so leitet doch seine Ansicht, daß „nicht immer bloß Bankiers aus der Tiergartenstraße sich unserer annehmen“ dürfen, zu der Frage, inwieweit die tatsächliche (miserable) Stellung des Schriftstellers in der Gesellschaft von dessen kritischer Haltung und Aufgabe herzuleiten sei.
Die Mehrzahl von ihnen werde als „Catilinarische Existenzen“ angesehen (in Anlehnung an eine Bismarckrede formuliert, in der dieser 1862 Führer der Sozialdemokratie zu diffamieren suchte; vgl. SzL'417). Fontane setzt sich nicht einmal prinzipiell für die Anerkennung aller Schriftsteller ein, bedauert, „Daß das Urteil des Publikums gar keine Ausnahmen gelten läßt oder fast keine“ (SzL 119). Der Gedankengang bricht hier zunächst ab. F. erinnert an den Mut solcher Dichter wie Uhland (der den Pour le merite ablehnte) und das Schicksal Herweghs nach der Audienz bei Friedrich Wilhelm dem IV. (Ausweisung). Dennoch möchte er den Protest nicht politisch verstanden wissen, es geht ihm um Anerkennung des „Voll- wert(es)“ eines Dichters, möglichst durch die Autoritäten und, wenn nicht möglich, durch „größere Achtung vor uns selber“ (SzL'121). Das mag ein notwendiger Appell gewesen sein — im Vergleich mit den einleitenden Verallgemeinerungen zur „Unfreiheit“ der Schriftsteller und deren Ursachen, verrät er Suche, ja Hilflosigkeit.
(9.2) Auch in den Vorstudien zum 1891 veröff. Aufsatz, besonders in den Überlegungen zur „Würdeposition“, kommt er auf die kritische Aufgabe zu sprechen. „Die Schriftstellerei, so führte ich aus, habe etwas Kritisches, etwas im guten Sinne Freigeistiges, und wem es obliege, die Welt darzustellen, der müsse darüber stehen, wenn er diese Welt darstellen wolle.“ (AzL/187). Immer wieder ist von „ratlosen Intellektuellen“ 16 gerade diese Passage für den Nachweis der Überparteilichkeit Fontanes benutzt worden. Aus dem Text dieses Aufsatzes geht zunächst hervor, daß konkret der
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