diesem Stahr vor. Noch nie sah ich jemand so entzückt über Gedichte wie diesen St[ahr] über Deine ,Generalitäten*. Er versteht wirklich was, schreibt politische Artikel für Blätter und Zeitungen, die hier verboten sind, und sprach mit mir mit Sachkenntnis über Platen und antike Formen. Er meinte, seit Freiligrath hätte er nicht wieder so schöne Reimbildungen gefunden wie bei Dir und sprang bei der Stelle ,Der Donner war der eine, der andere war der Blitz* vom Stuhl auf und hörte das folgende, im Zimmer auf und ab gehend. [...] Doch da die Leute sich so sehr für Dich interessierten, tut mir’s nun fast leid, daß ich den .Schwerin* nicht mitnahm; doch es kann noch geschehen. Die Lewald sagte, wenn er mal nach Berlin kommt, so bringen Sie ihn doch zu mir.“ 3
Drei Wochen später hat Lepel der Lewald und Stahr das Gedicht „Keith“ nochmals und „Schwerin“ wohl erstmals vorgetragen. Auch jetzt war Stahr begeistert, er schlug, wie Lepel Fontane am 15. Mai 1847 berichtete, „wieder bei jeder Strophe in die Hände und sagte, er freue sich schon über den bloßen Klang. So’n dankbares Publikum hat man aber nicht immer.'* 4
Diese Reaktion Adolf Stahrs ist auffällig und gibt uns zu denken. Eigentlich sollte man erwarten, daß der streitbare Liberale Stahr, der als Gymnasialprofessor im Großherzogtum Oldenburg gewirkt hatte und dessen scharfe Kritik am preußischen Militär wir sogleich kennenlemen werden, sich gegenüber den Gedichten auf alte preußische Heerführer kühl, wenn nicht ablehnend verhalten hätte, so etwa wie Theodor Storm, der in seinem Aufsatz „Theodor Fontane“ (1855) die von Vorbehalten getragene, reservierte Formulierung fand: „Der ,Alte Dessauer*, .Ziethen* und namentlich .Seidlitz* konnten in dieser Weise vielleicht nur von einem Preußen geschrieben werden.“ 5 Stahrs enthusiastisches Interesse zeigt indes, daß die Feldherrnlieder keineswegs unbedingt oder doch nicht vorrangig als Glorifizierung Preußens und seiner Armee, also preußischkonservativ, verstanden werden mußten. Es war offenbar auch möglich, vor dem Militärischen zu abstrahieren und neben den formalen Qualitäten der Gedichte das Menschliche in den Mittelpunkt treten zu lassen. Diese Art der Rezeption der Feldherrnlieder dürfte viel zu der großen Beliebtheit beigetragen haben, deren sich diese Gedichte seinerzeit erfreuten. Angesichts der Begeisterung Stahrs für Fontanes Gedichte fügte Fanny Lewald, als sie Ende 1847 Lepel um dessen „Ode an Humboldt“ bat, hinzu: „und schicken Sie mir auch für ihn [Stahr. J. K.] das größere Gedicht Fon- tanens. Ich gebe es nicht in fremde Hände; Sie wissen aber, wie Stahr sich an den prächtigen Versen erfreute und wie sehr gern ich ihm eine Freude machte. Tun Sie es, lieber Lepel, ich möchte es so gern haben.“ fi Durch die Proben aus der Lyrik Fontanes angeregt und wohl auch durch Lepels Mitteilungen über den Freund für Fontane gewonnen, bekundete Fanny Lewald zumal im Jahr der Revolution, obgleich sie Fontane wohl persönlich noch nicht kennengelemt hatte, Interesse und Teilnahme an seinem Geschick. Nachdem sie am 30. März 1848 von Paris nach Berlin zurückgekehrt war, bat sie Lepel am 22. April 1848 um seinen Besuch bzw. um briefliche Nachricht und setzte hinzu: „und sagen mir, wie es Fon-
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