Heft 
(1980) 31
Seite
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Dich zu einem Besuch aufzufordem, da Du, nach ihrer damaligen Unart, noch immer keine Veranlassung hättest, ohne weiteres zu kommen. Ich denke, daß sie von Deinem Staubabwischerposten an der Bibliothek schon von selbst anfangen wird, da ich sie gebeten, durch ihre Bekanntschaft etwas dafür zu tun. 50

Aus diesem Plan ist nichts geworden. Aber die Lewald entwickelte eine andere Idee, die sie Lepel in ihrem Brief vom 23. November 1849 erläuterte: Mitscherlich 21 hat bestimmte Aussichten für Ihren Freund gar nicht, sondern nur den guten Willen, einem Versuche seine Hand zu bieten.

Inzwischen habe ich Ffontane] gesehen, ihm das gesagt und von ihm erfahren, daß Schneider, ihm genau bekannt, der Lektor des Königs ist.

Folgt F. mir, so veranlaßt er Schneider, dem Könige von seinen Sachen vorzulesen, ihm namentlich die Heldenlieder ins Gedächtnis zu rufen und für ihn die Bitte um eine Audienz auszusprechen, in der er seine Sache selbst führen kann. Wäre ich F., so gelangte ich auf diesem Wege gewiß an das Ziel. Daß er, was mir anfangs einleuchtend schien, als er es mir vorstellte, sich zu den Eisenbahnen wendet, finde ich bei reiflicher Überlegung ganz ungehörig. Er erntet eine beschränkte Existenz mit trockenster Beschäftigung dabei ein, die ihn in eine wahre Sandwüste und Einsamkeit verweisen kann, und er verliert die Frucht höherer vieljähriger Studien und Bemühungen. Raten Sie ihm, hier die erste beste Provisorstelle anzunehmen und noch hier zu bleiben. Warten ist das Schwerste, aber auch das Prinzip aller Lebensweisheit, und je später er heiratet unter uns gesagt, so besser für den Dichter. 22

Den Rat der Lewald, Louis Schneider, der Schauspieler gewesen war und seit 1849 als Vorleser im Dienste Friedrich Wilhelms IV. stand und über den Fontane in seinem Scherenberg-Buch berichtet hat, zur Lesung von Gedichten Fontanes vor dem König zu veranlassen, hat Fontane offenbar befolgt. Jedenfalls hat Louis Schneider nach Frickes Chronik dem König im Januar 1850aus der .Rosamunde und den Preußenliedern vor- gelesen 21 (gemeint sind die Feldherrnlieder). Doch ist nichts davon be­kannt, daß Schneider für Fontane eine Audienz beim König hätte erwirken können. So blieb denn der gut gemeinte Vorschlag der Lewald wirkungs­los.

Aus dem zuletzt zitierten Brief ist ferner zu entnehmen, daß Fontane auch der Lewald gegenüber seine Absicht geäußert hat, sich um eine Anstellung bei der in jenen Jahren noch jungen Eisenbahn zu bewerben, die er 1845 in seinem GedichtJunker Dampf gerühmt hatte.

Dieselbe Absicht erwähnte er in seinem Brief an Wolfsohn vom 10. No­vember 1849, in dem es heißt, er sei entschlossen,am 1. Dezember wieder unter die Handarbeiter zu gehen. Ich weiß noch nicht, ob als Apotheker oder als Kutschenschlagaufmacher (allen Ernstes!) bei der Eisenbahn.*' 1

Wir wissen, daß es Fontane schließlich doch vorgezogen hat, freier Schrift- £

steiler bzw. Journalist zu werden, statt sich als Eisenbahnschaffner oder wiederum als Apotheker zu verdingen. Auch die Warnung der Lewald .

mag ihn von ersterem abgehalten haben. Der letzte Ratschlag der Lewald, j

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