Heft 
(1980) 31
Seite
620
Einzelbild herunterladen

mit der Eheschließung möglichst zu warten, wird Fontane wenig gefallen haben, wenn ihn Lepel überhaupt dem Freund übermittelt hat.

Im Laufe des Jahres 1850 begannen sich die Beziehungen zwischen Fontane (sowie Lepel) und der Lewald zu lockern. An anderer Stelle ist gezeigt worden, daß es zwischen Lepel und der Lewald erhebliche Differenzen in wichtigen weltanschaulichen Fragen gab 2 *. Ähnliches läßt sich auch hin­sichtlich des Verhältnisses Fontanes zu der Lewald sagen. Fontane ver­suchte zwar, die Gegensätze zwischen seinem Freund und der Lewald zu überbrücken und von allem Streit abzuraten. Anspielend auf die gemein­same Rückreise der Lewald und Lepels von Italien nach Deutschland, schrieb er am 18. Oktober 1849 an Lepel:Deine Brief-Introduktion an die Lewald ist klassisch; warum zankst Du Dich aber immer mit ihr! Genieße doch das Gute ich denke dabei keineswegs an die Gondel in Venedig, was sie unverkennbar hat, und streite nicht mit ihr über Dinge, wo doch keine Einigung möglich ist. 2 Doch auch Fontane vermochte die Auf- fassunger der Lewald nicht einfach hinzunehmen. Schon in seinem Brief an Lepel vom 13. März 1849 gab er ein Gespräch mit der Lewald wieder, das kontrovers verlief:Du bist ihr nicht tendenziös genug; der Schönheits­kultus in der Kunst genügt ihr nicht; es sollen noch andre Zwecke nicht nur damit erreicht (das ginge noch), sondern vonvornherein, mit Bewußt­sein, erstrebt werden. Ich gestand ihr, daß ich mich ganz auf Deinem Standpunkt befände, und gab Dir nur darin Unrecht (ohne es zu wissen und zu wollen wurd ich maliziös), daß Du überhaupt Dich mühtest, sie zu andern Anschauungen zu bekehren. Alles, was sie spräche, trüge so ent­schieden den Stempel der Überzeugung, schiene mir so ganz mit ihrem Wesen verwachsen, daß es mir nie in den Sinn kommen könne, Bekeh­rungsversuche bei ihr zu machen oder auch überhaupt nur .einen so unfruchtbaren Streit aufzunehmen*. 27

Abgesehen davon, daß diese Äußerungen Fontanes seine damaligen, nicht gerade progressiven poetologischen Auffassungen beleuchten, muß man feststellen, daß sich Fontane und die Lewald in einem wichtigen Punkte nicht einig waren, nämlich was die Funktion der Dichtung anging. Die Lewald forderte von der Dichtung bewußte Tendenz, Fontane lehnte zwar eine solche Tendenz nicht schlechthin ab, war jedoch dagegen, sie bewußt zuerstreben.

Aber Fontane hatte noch andere, erheblichere Einwände gegen Fanny Lewald. Sie betrafen Grundfragen der Welt- und Lebensanschauung.

In seinem 1850 entstandenen GedichtTod und Teufel, das unvollendet blieb und erst aus dem Nachlaß veröffentlicht wurde, setzte sich Fontane mit verschiedenenmodernen, speziell von gewissen Junghegelianern vertretenen Auffassungen auseinander. Als er Lepel das noch unfertige Gedicht am 14. oder 21. August 1350 vorlegte, erläuterte er den weiteren Verlauf so:Die Lüge tritt in vier modernen Gestalten hier auf der Erde auf, siepredige - außer von der Unnatur der Ehe, denVorzügen der Anarchie und dereinzigen Berechtigung der Selbstsucht - auchvom Gott in der eignen Brust. Zu eben diesem Punkte vomGott in der