mir aber keine Freude gemacht. Er erwiderte kaum meinen Gruß, und wir begegneten uns natürlich öfter. Einmal saß Fanny Lewald vor der Tür ihres Hauses, in welches ich mit meinen Damen [...] eintrat. Ich hielt es für schicklich, sie, als ich heraustrat, anzureden, und diese Notwendigkeit machte mir sogar Freude, da ich meinen früheren Freunden immer zugetan bleibe. Es wurde aber kein freundliches Wort gewechselt.“ 33 In seiner Antwort vom 19. September 1853 ging Fontane auf die Lewald nicht mehr ein, sondern schrieb lediglich über Stahr: „Stahr spielt den Gesinnungsvollen und ist doch nur ein Esel. Laß ihn. Mir scheint das Einfachste, ihn gar nicht zu bemerken und den Hut so fest auf dem Kopf zu behalten, als sei er angewachsen.“ 34
Zu dem sich hier ankündigenden Bruch zwischen der Lewald und Lepel mag auch die geringe Meinung beigetragen haben, die Lepel von der „Lewaldschen Kunst“ hatte und von der man annehmen darf, daß Fontane sie teilte. Seine kritische Beurteilung des Werkes der Lewald vertraute Lepel Fontane am 19. August 1855 an: „Was aber das Rückwärtsgehn der Lewaldschen Kunst betrifft, so weißt Du, daß ich nie ein großer Bewunderer derselben gewesen bin. Ein Hauptgrund, weshalb wir auch nie ganz uns innerlich nahe kamen, ist jedenfalls auch der, daß ich mich, wenn sie mir etwas vorlas, schweigend verhielt, und wenn ich gar über ihre Sachen mit ihr sprach oder darüber schrieb, ihr mein bedingungsweise ausgesprochenes Lob nicht gefiel. Sie wird es nicht begreifen können, wie ein anderer, unter Voraussetzung, daß er auch fünf Sinne und einigen Geschmack hat, nicht in Stahrs Meinung einstimmen kann, welcher behauptet, jedes Wort, von ihr niedergeschrieben, und sei es nur ein Einladungsbillet oder ein Waschzettel, gleiche einer schönen Reihe hingeworfener Perlen. ‘ 35
Es hatte sich also im Laufe der Zeit herausgestellt, daß es in Weltanschauung und Kunstauffassung zu wenig Gemeinsamkeiten zwischen der Lewald und Fontane (sowie Lepel) gab. Daraus erklärt es sich, daß die persönlichen Beziehungen noch während der ersten Hälfte der fünfziger Jahre ein Ende fanden. Es kam hinzu, daß Fontane im September 1855 für längere Zeit nach England ging.
Bevor wir auf das späte erneute Zusammentreffen Fontanes mit der Lewald kurz eingehen, soll auf den biographischen Artikel über Fanny Lewald aufmerksam gemacht werden, der in dem Supplement „Frauen der Zeit“ zu dem biographischen Lexikon „Männer der Zeit“ (Leipzig 1862) erschien. Bekanntlich hat Fontane nach seiner Rückkehr aus England für dieses Lexikon, das im Verlag von Carl B. Lorck herauskam, auf Vermittlung Wilhelm Wolfsohns eine Reihe von Artikeln geschrieben, gezeichnet mit den Chiffren 22, 61, 62, 70 und 71 36 . Da auch der Lewald- Artikel die Chiffre 22 trägt, kann die Frage aufgeworfen werden, ob etwa auch dieser Artikel von Fontane stammt. Leider gibt es in diesem Falle keine Nachweise der Autorschaft Fontanes im Tagebuch, wie sie für andere Beiträge Fontanes zu „Männer der Zeit“ vorliegen. Man kann natürlich daran zweifeln, daß Fontane das Schaffen der Lewald bis in den Anfang der sechziger Jahre sorgfältig verfolgt hat. Daß er z. B. ein frühes Werk
622